06. Januar 2017 (dpa) Berlin / Passau
Wenn Christian Apprecht von Wölfen berichtet, muss man unwillkürlich an Rotkäppchen denken. „Bei der ländlichen Bevölkerung nehmen die Ängste vor dem Wolf zu“, betont der Sprecher des Landesbauernverbandes von Sachsen-Anhalt. Einige Leute würden sagen: „Mein Kind lasse ich nicht mehr allein in den Wald gehen.“
Daher begrüßt der Landesbauernverband auch die jüngste Forderung von
Bundesagrarminister Christian Schmidt. Der CSU-Politiker will die Ausbreitung der Wölfe in Deutschland mit einer „beschränkten
Abschussfreigabe“ begrenzen. „So etwas brauchen wir auch in
Deutschland“, forderte der CSU-Politiker in der „Passauer Neuen
Presse“ am Freitag mit Blick auf andere Staaten.
Auch Bauernverbände anderer Bundesländer mit starken
Wolfspopulationen unterstützen den Bundesminister. „Zum Abschuss
verhaltensauffälliger Wölfe, die massiv unsere Weidetiere bedrohen
und töten, gibt es keine Alternative“, teilt Henrik Wendorff,
Präsident des Landesbauernverbandes in Brandenburg, mit.
Vom Deutschen Tierschutzbund gibt es hingegen Kritik. „Bundesminister
Schmidt ist in seiner Funktion auch Tierschutzminister und sollte
wissen, dass wir nicht wie bisher ein Tötungsmanagement beim Thema
Jagd benötigen, sondern ein tierschutzgerechtes Wildtiermanagement“,
sagte Präsident Thomas Schröder. Der Tierschutzbund lehnt die
Aufnahme des Wolfes in das Deutsche Jagdrecht strikt ab.
Möglicherweise auftretende Konflikte zwischen Wolf, Mensch und Tier
seien durch Schutz- und Präventionsmaßnahmen bestmöglich zu
vermeiden, schreiben die Tierschützer. Sie sehen die Landwirte in der
Pflicht: Sie sollten ihre Tiere in Wolfsgebieten schützen.
„Die Schutzmaßnahmen gegen Wölfe überfordern die Landwirte und
verursachen zusätzlich hohe Kosten“, sagt hingegen der
niedersächsische Landvolk-Sprecher Sebastian Kuhlmann. Alles
einzuzäunen funktioniere für Weidetierhalter nicht.
In Niedersachsen hatte der im Internet liebevoll „Kurti“ genannte
Wolf MT6 im Frühjahr 2016 für Aufregung gesorgt. Der
verhaltensauffällige Rüde wurde Ende April schließlich erschossen. Er
war damit der erste und bisher einzige Wolf in Deutschland, der legal
getötet wurde.
Das niedersächsische Umweltministerium teilte mit, dass sich das Tier
auffällig verhalten, die natürliche Fluchtdistanz nicht eingehalten
und sich wiederholt Menschen genährt hat. „Bei allen Maßnahmen steht
die Sicherheit der Menschen immer an erster Stelle“, heißt es aus dem
Ministerium.
Durch eine EU-Richtlinie sind Wölfe streng geschützt. Über die
Umsetzung des Gesetzes und damit auch den Abschuss von
verhaltensauffälligen Tieren entscheiden aber die Bundesländer.
Eigentlich ist es ein Erfolg für den Artenschutz, dass sich Wölfe
wieder ausbreiten, denn lange Zeit gab es in Deutschland keine mehr.
Im abgelaufenen Monitoring-Jahr 2015/16 waren es laut Bundesamt für
Naturschutz 46 Rudel, 15 Paare und 4 sesshafte Einzeltiere. Allein
rund 120 bis 130 erwachsene Wölfe streifen in Deutschland durch die
Landschaft – und reißen immer häufiger Weidetiere.
70 Schafe haben Wölfe zum Beispiel allein in einem Jahr in
Sachsen-Anhalt getötet. Die Wölfe in Deutschland leben hauptsächlich
in Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
Tierschützer, Jäger und Bauern sind sich darin einig, dass es bessere
Regeln für den Umgang mit dem Wolf braucht, auch weil die Akzeptanz
für das Tier stark zurückgeht.
Der Wolf hat laut Deutschem Jagdverband keine angeborene Scheu vor
Menschen: „Die Scheu wird erlernt und an die nächste Generation
weitergegeben. Wir müssen dem Wolf also beibringen: Halte dich vom
Menschen und seinen Nutztieren fern“, erklärte Jagdverbandssprecher
Torsten Reinwald. Wenn das nicht gelingt, müsse auch ein Abschuss
schnell und unbürokratisch möglich sein.