Gießen. Jahreszeitlich bedingt neigt sich die Weidesaison für landwirtschaftliche Nutztiere und Pferde dem Ende zu. Weideflächen, die jetzt noch genutzt werden, sind im Winter verwaist – leider viel zu häufig mit Überresten der sommerlichen Nutzung. Denn die Zaunreste sind eine Gefahr für die heimischen Wildtiere. Alte, eingewachsene Stacheldrahtüberreste sind hier ebenso gefährlich wie gerade erst genutzte Weidezäune. Durch Wind und Wetter flattern diese umher, verfangen sich im Gebüsch und werden vom Wild nicht mehr wahrgenommen. „Verfängt sich ein Tier in solchen Zaunresten, dann endet dies nicht selten tödlich“, berichtet Dr. Wolfgang Kulow, Leiter des Dezernats für Veterinärwesen und Verbraucherschutz im Regierungspräsidium (RP) Gießen.
Selbst, wenn sich das Tier noch aus eigener Kraft befreien kann, sind die Folgen häufig dramatisch. „Schwere Verletzungen oder dauerhaftes Festhängen der Litzenstücke im Geweih oder am Körper der Tiere können zu erheblichen Schmerzen und Leiden bei den Tieren führen.“ Deswegen bittet das RP Gießen die Weidetierhalter, an den Abbau der mobilen Zäune, aber auch aller alten, nicht mehr genutzten Zaunreste zu denken. „Darüber hinaus fordert das Bundesnaturschutzgesetz in Paragraf 14, dass Eingriffe in Natur und Landschaft auf ein Mindestmaß zu beschränken sind“, unterstreicht Dezernatsleiter Kulow sein Anliegen.
Die Meldungen über verfangene Wildtiere häufen sich in jüngerer Vergangenheit. In manchen Fällen werden die Tiere rechtzeitig gefunden und befreit. Oftmals allerdings verenden sie qualvoll. „Früher gab es meist feste Zäune, über die das Reh- und Rotwild einfach gesprungen ist. Die Weidezäune mit ihren Netzen, Bändern und Plastikstäben oder Holzpfosten sind hingegen wahre Stolperfallen“, ergänzt der Veterinärmediziner. „Die Tiere geraten in Panik, verheddern sich und können sich ohne fremde Hilfe nicht befreien.“
Wer in Feld und Flur unterwegs ist und ein solches Tier findet, sollte allerdings vorsichtig sein. „Es ist gefährlich, selbst zu versuchen, sie zu befreien“, betont Wolfgang Kulow. „Die Gefahr, durch die wehrhaften Tiere ernsthaft verletzt zu werden, ist groß, wenn diese in Todesangst mit dem Kopf schlagen und um sich treten.“ Der Rat des Regierungspräsidiums lautet daher: Wer ein Handy zur Hand hat, informiert bestenfalls direkt den nächsten Jagdpächter. Sollte dieser nicht bekannt oder erreichbar sein, dann kann die Polizei helfen.
Wichtig ist es, schnell zu handeln. Und möglichst zu versuchen, weitere Aufregungen für das verfangene Tier zu vermeiden, bis eine sachkundige Person eingetroffen ist. Aber auch in solchen Fällen hilft häufig nur noch die schnelle Erlösung des Tieres. „Daher wenden wir uns mit diesem dringenden Appell an alle Weidetierhalter: Auch, wenn es mit Mehrarbeit verbunden ist, der Einsatz für unsere Tierwelt lohnt sich, denn die Leiden, die ein verfangenes Tier zu ertragen hat, bevor es qualvoll verendet, sind unvorstellbar“, sagt Dezernatsleiter Kulow abschließend.
Text: Regierungspräsidium Gießen