Das jetzt vorliegende Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Wildbeobachtungskameras in Hessen erlaubt ist.
Prof. Dr. Michael Brenner beantwortet im Interview mit LJV-Geschäftsführer Alexander Michel und LJV-Pressesprecher Markus Stifter die wichtigsten Fragen zum Einsatz von Wildkameras in Hessen:
Frage: Das HMUKLV verweist in den Ausführungen des Merkblatts darauf, dass ein datenschutzkonformes Betreiben von Wildkameras im öffentlich zugänglichen Raum grundsätzlich nicht erlaubt sei. Auf welche Rechtsgrundlage bezog sich diese Aussage und ist diese haltbar?
Antwort: Art. 6 Abs. 1 lit. f) Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) bestimmt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nur rechtmäßig ist, wenn die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt“.
Der Grundsatz der in Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO enthaltenen normativen Ausgestaltung geht dahin, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen dann rechtmäßig ist, wenn sie hierzu erforderlich ist. Lediglich dann, wenn die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten einer anderen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, können die berechtigten Interessen des Verantwortlichen zurücktreten. Als Beispiel erwähnt die DS-GVO hier insbesondere die Interessen eines Kindes. Diese gesetzliche Wertung wird im Merkblatt vollständig verkannt, wenn dieses nur für einen Ausnahmefall ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen anerkennen will.
Frage: Inwiefern spielen die gesetzlich verankerten Eigentumsrechte des Jagd- und des Jagdausübungsrechts eine entscheidende Rolle im Verhältnis zu den Vorschriften aus der DS-GVO?
Antwort: Für die vorzunehmende Abwägung ist die Erkenntnis von besonderer Bedeutung, dass sowohl das Jagdrecht als auch das Jagdausübungsrecht vom Schutz der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie umfasst sind. Die Anwendung von Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO muss sich daher in erster Linie an der Eigentumsgarantie messen lassen, die im Merkblatt erkennbar nicht berücksichtigt worden ist, die aber für die Abwägung von grundlegender Bedeutung ist.
Frage: Welche Bedeutung hat der Umstand, dass nach dem Hessischen Waldgesetz ein Betretungsverbot für jagdliche Einrichtungen (z.B. Kirrungen, Hochsitze) besteht?
Antwort: In jagdlicher und insbesondere jagdrechtlicher Hinsicht erfährt diese „Wahrung berechtigter Interessen“ ihre Konkretisierung dadurch, dass nach § 22 HessJagdG Jagdausübungsberechtigten ausdrücklich das Recht zugestanden wird, auf land- und forstwirtschaftlich genutzten Grundstücken besondere jagdliche Einrichtungen errichten zu können.
Zu diesen jagdlichen Einrichtungen zählen nach einhelliger Auffassung insbesondere auch Suhlen/Kirrungen. Diese jagdlichen Einrichtungen stehen sogar unter den Schutzrechten des Straf- und Zivilrechts, sind mithin von der Rechtsordnung mit einem zusätzlichen besonderen Schutz versehen. Hinzu kommt, dass in § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HessWaldG ein Betretungsverbot für jagdbetriebliche Einrichtungen gesetzlich statuiert ist, es mithin Dritten untersagt ist, jagdliche Einrichtungen – und damit auch Suhlen/Kirrungen – zu betreten. Aus diesem Grund kann es bei einem gesetzeskonformen Betreten des Waldes durch Dritte überhaupt nicht zu einer Abwägungskonstellation i. S. v. Art. 6 Abs. 1 lit. f) DS-GVO kommen.
Frage: Welche sachlich gebotene Abwägung zwischen der Wahrnehmung der eigentumsrechtlich geschützten Interessen der Jagdausübungsberechtigten und dem Schutz von personenbezogenen Daten nach der DS-GVO wäre demnach zu treffen gewesen?
Antwort: Im Hinblick auf die nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO vorzunehmende Abwägung, ist festzustellen, dass jedenfalls das Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Wahrung der berechtigten Interessen der Jäger nicht überwiegt. Die Eingriffe in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung werden in der jagdlichen Praxis auf ein Minimum beschränkt sein; zudem werden die betroffenen Personen im Regelfall auf den Aufnahmen der Wildkamera überhaupt nicht zu erkennen sein. Darüber hinaus sind Wildkameras regelmäßig an Stellen angebracht, die von Waldbesuchern nicht aufgesucht werden (dürfen). Dies bedeutet, dass die Voraussetzungen für ein Zurückdrängen des Eigentumsrechts der Inhaber des Jagdrechts und des Jagdausübungsrechts gegenüber dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Waldbesucher nicht erfüllt sind. Deren Belangen gebührt nicht der höhere Stellenwert gegenüber dem jagdlichen Eigentum und damit dem Jagdrecht.
Frage: Welches Fazit ergibt sich aus Ihrer rechtsgutachterlichen Stellungnahme? Können Wildkameras in Hessen an jagdlichen Einrichtungen weiterhin eingesetzt werden?
Die eigentumsrechtlich begründeten Interessen der Inhaber des Jagdrechts und der Jagdausübungsberechtigten gehen den Interessen von Waldbesuchern vor. Die Rechte der Letztgenannten vermögen die Grundrechte der Erstgenannten nicht zu überwiegen, wie dies Art. 6 Abs. 1 f) DS-GVO fordert. Aus diesem Grund stellt es eine unverhältnismäßige und nicht gerechtfertigte Maßnahme dar, wenn, wie in dem Merkblatt der Landesregierung vorgesehen, der Einsatz von Wildkameras faktisch vollumfänglich verboten wird.
Vielen Dank für das Interview, Herr Professor Brenner!