Bejagung in den Kern- und Pflegezonen
Die Machbarkeit einer Biosphärenregion ist nach Auffassung des Landesjagdverbandes Hessen e.V. nicht gegeben, wenn die Ausübung der Jagd auch in den Kernzonen vollständig in die Hoheit einer Biosphärenverwaltung gelegt wird und sich damit jagdrechtliche Zuständigkeiten und Entscheidungsebenen überlagern. Die Forderung des MAB-Komitees zur Zulässigkeit einer Bejagung in den Kernzonen ausschließlich im Rahmen eines Wildtiermanagements oder sogar nur im Rahmen eines reinen „Schalenwildmanagements“ [1] sehen wir kritisch und lehnen dieses ausdrücklich ab.
Kernzonen sind keine isolierten Gebiete, sondern haben eine Vielzahl an funktionalen Beziehungen zu ihrem Umfeld. Dies kann insbesondere dort problematisch sein, wo die Kernzonen relativ klein sind und sich an Regionen anschließen, in denen Landwirtschaft oder Weinbau betrieben wird. Durch die Beruhigung (wenig Besucherdruck, keine forstwirtschaftliche Nutzung) dienen die Kernzonen dem Wild als Rückzugsort, was sowohl in den Kernzonen selbst, als auch in den benachbarten Regionen zu inakzeptablen Wildschäden führen kann. Diese Situation wird sich zwangsläufig insbesondere dort verschärfen, wo Kernzonen ohne puffernde Pflegezonen unmittelbar an landwirtschaftliche Nutzungen in der Entwicklungszone angrenzen. Damit wird nach fester Überzeugung der jagdlichen Interessenvertretungen der ohnehin in der Region bereits bestehende Konflikt „Wald und Wild“ unter einer Biosphärendirektive und unter Missachtung wildbiologischer Anforderungen weiter verschärft.
Einschränkungen der Jagdausübung
Einschränkungen der regulären Jagdausübung und eine Umstellung auf ein Wildtiermanagement bzw. Schalenwildmanagement würden sich im Bereich des Taunus und des Hinterlandswaldes negativ auf die Arbeit und die bisherigen Bemühungen der dort bestehenden Rotwildhegegemeinschaften und auch der länderübergreifenden Arbeitsgemeinschaft zur Reduktion der örtlichen Rotwildpopulation auswirken und die bisher erstellten Konzepte zur Bewirtschaftung des Rotwildes obsolet machen.
Kernzonen bieten auch Rückzugsorte für invasive Arten
Kernzonen sind aber nicht nur Rückzugsorte für das Schalenwild, auch Raubsäuger wie der Fuchs oder invasive gebietsfremde Arten wie der Waschbär, der Marderhund oder der Mink profitieren von den beruhigten und jagdfreien Zonen. Sie breiten sich hier ungestört aus und bedrohen die Biodiversität in der Kernzone sowie der umgebenden Region. Dies zeigen auch Berichte aus anderen Biosphärenregionen, in denen sich beispielweise der Waschbär negativ auf Kranichgelege sowie felsenbrütende Arten wie dem Wanderfalken oder dem Uhu auswirkt. Auch lokale Populationen der europäischen Sumpfschildkröte sind in Kernzonen einiger Biosphärenregionen durch den Waschbären bedroht [2]. Im geplanten Gebiet der Biosphärenregion sehen wir beispielsweise eine Gefährdung durch den Waschbären für die im Wald vorkommenden bedrohten Tierarten wie dem Schwarzstorch oder der Bechsteinfledermaus. Auch der Erfolg des in Wiesbaden-Ost gestarteten Feldflurprojekts könnte durch eine Einschränkung der Jagd auf ein reines Wildtiermanagement in den Kernzonen gefährdet werden. Die Projektkulisse zum Schutz der Feldflurarten Rebhuhn, Feldhamster, Feldlerche und Feldhase umfasst bzw. liegt benachbart zu Gebieten, die für die Ausweisung als mögliche Kern- oder Pflegezonen in Frage kommen. Die weitere Ausbreitung invasiver gebietsfremder Raubsäuger oder eine Erhöhung des Fuchsbesatzes in diesem Gebiet würden den Zielen des Projektes, die Lebensbedingungen für diese Leitarten in der offenen Feldflur zu verbessern, entgegenstehen.
Des Weiteren besteht nach der „EU-Verordnung 1143/2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten“ für alle Mitgliedsstaaten die Verpflichtung, invasive gebietsfremde Arten an ihrer weiteren Ausbreitung zu hindern sowie die nachteiligen Auswirkungen auf die Biodiversität, die Ökosystemleistungen, die menschliche Gesundheit oder die Wirtschaft einzudämmen [3]. Dieses Ziel wird jedoch durch ein Jagdverbot oder die Reduzierung der Bejagung auf ein reines Wildtiermanagement deutlich erschwert, da gerade bei den nachtaktiven und teilweise auch im Winter ruhenden Raubsäugern eine effektive Bejagung nur durch reguläre Jagdmethoden wie der Fang- oder Baujagd sowie der Ansitzjagd möglich sind.
Reguläre Bejagung in den Kernzonen muss möglich bleiben
Dass eine reguläre Bejagung in den Kernzonen auch weiterhin möglich und sinnvoll ist, zeigen auch andere Biosphärenregionen. So ist die reguläre Jagdausübung in den Kernzonen der Biosphärenregionen Flusslandschaft Elbe Niedersachsen, Südost Rügen, Rhön Thüringen und Schwäbische Alb ohne größere Einschränkungen möglich. Mit Einschränkungen erfolgt die reguläre Jagdausübung weiterhin in den Biosphärenregionen Bliesgau, Schaalsee, oder Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft Die Auswirkungen der Jagd auf die Kernzone wird zum Beispiel im Biosphärenreservat Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft oder Südost Rügen als wenig problematisch eingeschätzt oder sogar, wie in vielen Biosphärenreservaten, als notwendig angesehen (Flusslandschaft Elbe Niedersachsen, Karstlandschaft Südharz, Bliesgau, Rhön, und Schwäbische Alb), um Wildschäden im Umfeld der Kernzonen zu begrenzen [2].
Jagdrecht und Jagdausübung sind in Deutschland umfänglich durch Bundes- und Landesgesetze geregelt und bedürfen auch in einer Biosphärenregion grundsätzlich keiner gesonderten davon abweichenden Regelung. Darüber hinaus ist das Jagdrecht untrennbar mit dem Eigentumsrecht verbunden und stellt damit ein grundsätzliches Recht eines jeden Grundstückseigentümers dar. Eine Einschränkung oder sogar das Verbot der Bejagung in der Kernzone kann sich unmittelbar auf die Jagdausübung in den Revieren der Pflege- und Entwicklungszonen auswirken und greift somit auch in das Eigentumsrecht von Grundstückseigentümern ein, die ein Grundstück haben, das benachbart zu einer Kernzone liegt. Diese können erheblich von wirtschaftlichen Einbußen betroffen sein, da sich die erhöhte Gefahr von Wildschäden oder Einschränkungen bei der Jagdausübung beispielsweise durch ein Wegnutzungsverbot negativ auf die Pachterlöse bzw. Erträge aus der jagdlichen Bewirtschaftung auswirken kann. Die Jagdausübung in den Pflegezonen kann aber auch direkt von Einschränkungen betroffen sein, da sie im Rahmen der Biosphärenregion zum Beispiel als Nationalpark oder Naturschutzgebiet rechtlich gesichert werden müssen [1]. Die Regularien für die Jagdausübung ergeben sich dann aus den zu erstellenden Pflegeplänen, was eine Abschätzung der direkten Auswirkung für die Jagd zum jetzigen Zeitpunkt deutlich erschwert. Aus jagdlicher Sicht ist die Machbarkeit einer Biosphäre daher in weiten Bereichen des Taunus auch in Bezug auf die so genannten Entwicklungszonen nicht gegeben.
Download:
Download: LJV-Stellungnahme als PDF
Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage:
https://www.machbarkeitsstudie-biosphaerenregion.de/
Quellenverzeichnis:
[1] BMUB-Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (2018). Der Mensch und die Biosphäre (MAB)- Umsetzung des UNESCO-Programms in Deutschland.
[2] Wattendorf, P., Konold, W., Hertz-Kleptow, C., Schumacher, J. und Bihlmaier, J. (2017). Untersuchungen zur Umsetzung des Kernzonenkonzepts in deutschen Biosphärenreservaten und deren Inwertsetzung. BfN-Skripten 464.
[3] Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten.
1 Gedanke zu „LJV-Stellungnahme: Machbarkeit einer Biosphärenregion Main-Taunus-Wiesbaden-Rheingau“
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