Jahrhunderte alte Fernwechsel der Tiere sind blockiert, ein genetischer Austausch zwischen den einzelnen Rotwildpopulationen ist schon heute in vielen Gebieten nicht mehr möglich. Eine Studie von Prof. Dr. Dr. Gerald Reiner, die mit Unterstützung des Landesjagdverbandes, Eigenmitteln der hessischen Rotwildhegegemeinschaften und aus Fördermitteln der Jagdabgabe durchgeführt wurde, bestätigt nun die „Inselbildung“ und eine um 15 % gesunkene genetische Vielfalt.
In einem Zeitraum von über zwei Jahren sammelten die hessischen Jägerinnen und Jäger Geweihstangen, Blut- und Gewebeproben, die im Klinikum für Veterinärmedizin der Justus-Liebig-Universität Gießen/Arbeitskreis Wildbiologie von einem Forscherteam um Professor Reiner untersucht wurden.
Die Ergebnisse sind erschreckend: Einige Rotwildgebiete, wie Wattenberg-Weidelsburg und der Krofdorfer Forst sind weitgehend, der Knüll westlich der A7, der Odenwald und der Reinhardswald in Bezug auf die übrigen hessischen Rotwildgebiete vollständig isoliert. Die Autobahnen A5, A7, A44, A45 und A49 stellen eine Hauptbarriere dar.
Je weniger Tiere innerhalb einer Population leben, umso höher wird der Inzuchtgrad. Eine immer enger werdende genetische Basis hat jedoch dramatische Folgen: Das Rotwild ist weniger widerstandsfähig gegen Umweltbedingungen oder auch Krankheiten. In Nordhessen wurde ein erstes Kalb mit Missbildung des Unterkiefers gefunden. Mittels einer molekulargenetischen Untersuchung konnte die Missbildung eindeutig dem hohen Inzuchtgrad in Verbindung gebracht werden.
Videointerview mit Prof. Dr. Dr. Gerald Reiner (15.03.2019)
Das vom Landesjagdverband seit 1992 erarbeitete „Rotwildregister Hessen“ fasst umfangreiche Fakten zum Rotwild und seinem Lebensraum zusammen.
Der Landesjagdverband fordert daher den zügigen Bau weiterer Grünbrücken u. a. an der A45 bei Haiger und im Bereich der A5 zwischen Gießen und dem Hattenbacher Dreieck, die dem Wild das gefahrlose Queren über Autobahnen und Bundesstraßen ermöglichen. Der Landesjagdverband entwickelt seit 2008 mit den Rotwildhegegemeinschaften Lebensraumkonzepte, die dem Rotwild z. B. durch Wanderkorridore, ausgewiesene Ruhezonen, Flächen zur Nahrungsaufnahme (Äsung) und die Lenkung von Waldbesuchern ein Annehmen der alten Wechselverbindungen ermöglichen sollen. Doch an der Autobahn darf nicht Schluss sein, wenn wir auch in Zukunft gesundes Rotwild in seinem natürlichen Lebensraum erleben möchten.
Download: Pressemitteilung von Prof. Dr. Dr. Gerald Reiner
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