LJV-Expertenausschuss Recht äußert Bedenken an Schalenwildrichtlinie

Die neue Bejagungsrichtlinie für Schalenwild in Hessen ist mit deren Veröffentlichung im Staatsanzeiger in Kraft getreten. Sie hat bereits schon jetzt zu massiver Kritik aus den Reihen der Jägerschaft, insbesondere der Hegegemeinschaften, geführt, da sie inhaltlich gesetzliche Vorgaben und wildbiologische Erkenntnisse nach Meinung vieler Experten über Bord wirft und rein betriebswirtschaftliche Gesichtspunkte in den Vordergrund rückt.

Foto: Rolfes/DJV

Mit der zwingenden Abschussfestsetzung von 130% des vorangegangenen Abschusses bei der Feststellung vorgegebener Werte der Waldwildschadensbelastung  wird die Abschussplanung nur noch anhand einer der gesetzlichen Voraussetzungen festgemacht. Andere gesetzliche Gesichtspunkte wie die Abschussplanerfüllung der letzten drei Jagdjahre, Lebensraumverhältnisse und Rückrechnung des Bestandes (bei Rotwild), aus denen sich der Abschussplan zusammensetzen soll, spielen nur noch eine untergeordnete, bisweilen keine Rolle mehr.

Rechtlich stellt die Schalenwildrichtlinie eine verwaltungsinterne Regelung (Erlass) dar,  an die die Hegegemeinschaften zunächst einmal rechtlich nicht gebunden sind. Sie kann rechtlich als verwaltungsinterne Regelung keine Außenwirkung gegenüber den Jagdrechtsinhabern und Jagdausübungsberechtigten und somit gegenüber den Hegegemeinschaften entfalten. Sie soll letztlich die unteren Jagdbehörden binden, die diese dann im Rahmen der Abschussplanung umzusetzen hat. Der Abschussplan als solcher entfaltet dann als Verwaltungsakt Außenwirkung gegenüber den Jagdrechtsinhabern und Jagdausübungsberechtigten.

Mit dem Inhalt der Schalenwildrichtlinie wird nach Auffassung des Expertenausschusses Recht allerdings gegen elementare Zielsetzungen des Gesetzgebers, aber auch gegen rechtliche Vorgaben verstoßen.

In § 1 des Hessischen Jagdgesetzes (HJG hat der Gesetzgeber Grundsätze und Ziele des Jagdrechtes definiert. Eines der Ziele ist unter anderem damit definiert, dass die Inhaber des Jagdrechts und die Jägerschaft in die Lage versetzt und verpflichtet werden sollen, die gesetzlichen Ziele des Hessischen Jagdgesetzes möglichst weitgehend in eigener Verantwortung zu verwirklichen (§ 1 Abs. 2 Ziffer 5 HJG). Diese Vorgabe findet bei der Aufstellung von Grundsätzen für die Hege und Bejagung des Wildes ihre weitere Grundlage in der Hessischen Jagdverordnung (HJagdV). Gem. § 35 HJagdV ist den Hegegemeinschaften die Aufgabe zugewiesen worden, Grundsätze für die Hege und Bejagung des Wildes aufzustellen. Dem sind die meisten Hegegemeinschaften in der Vergangenheit auch nachgekommen, indem sie eigene Bejagungsrichtlinien, abgestellt auf deren regionalen Besonderheiten, aufgestellt haben.

Die neue Richtlinie sieht wie deren Vorgängerin (die bis zum 31.12.2012 gültig war) einen Genehmigungsvorbehalt des Ministeriums bzgl. eigener Bejagungsrichtlinien der Hegegemeinschaften vor. Diese sind allerdings nur dann genehmigungsfähig, wenn sie zur Reduzierung von Wildschäden auf ein tragbares Maß erforderlich sind. Hierin liegt einer der maßgeblichen „Knackpunkte“ der Richtlinie. Sie beinhaltet als Erlass mit dem Genehmigungsvorbehalt eine Regelung, die auf Außenwirkung gerichtet ist, die einem Erlass aber gerade nicht zukommt. Letztlich fehlt es dafür auch an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

  • 39 Abs. 2 und 3 HJG weisen der obersten Jagdbehörde (Ministerium) folgende Aufgaben zu:

Abs. 2    Die oberste Jagdbehörde ist zuständig für die Abschussfestsetzung in staatlichen Wildschutzgebieten, im Nationalpark sowie in staatlichen Jagdbezirken, die keiner Hegegemeinschaft zugeordnet sind oder die bei einer Flächengröße über 500 ha als Naturschutzgebiet ausgewiesen sind.

Abs. 3    Die oberste Jagdbehörde ist zuständig für:

  1. die Aufhebung der Schonzeit aus besonderen Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur sowie zu wissenschaftlichen Lehr- und Forschungszwecken nach § 22 Abs. 1 Bundesjagdgesetz,
  2. die Ausnahmeregelung bezüglich des Bejagungsverbotes auf Wild, für das keine Jagdzeit festgesetzt ist, im Rahmen wissenschaftlicher Lehr- und Forschungszwecke nach § 22 Abs. 2 Bundesjagdgesetz, jeweils einschließlich erforderlicher Gestattungen nach § 23 Abs. 5. “

Die Aufstellung von Grundsätzen für die Hege und Bejagung von Wild findet sich darin gerade nicht, sondern ist vielmehr explizit in § 35 HessJV den Hegegemeinschaften zugewiesen worden.

Auch kann nicht § 39 Abs. 4 HJagdV als Ermächtigungsgrundlage herangezogen werden, da dieser auf den Einzelfall bezogen ist und nicht eine allgemeine Regelung wie die Schalenwildrichtlinie ermächtigt.

Nach Auffassung des Expertenausschusses Recht wird insbesondere mit dem Genehmigungsvorbehalt in rechtswidriger Weise in die vom Gesetzgeber den Hegegemeinschaften zugewiesenen Aufgaben eingegriffen. Dies kann auch mangels entsprechender Ermächtigungsgrundlage nicht mehr mit einem Lenkungsermessen des Ministeriums gegenüber den Jagdbehörden begründet werden.

Die weitere Frage mit der sich der Rechtsausschuss befasst hat, ist die, ob die Richtlinie einer juristischen Überprüfung durch die zuständigen Gerichte unterzogen werden kann. Letztlich stellt sie, wie bereits oben dargestellt, eine reine verwaltungsinterne Regelung dar, die grundsätzlich nicht direkt gerichtlich angegriffen werden kann, insbesondere nicht mit einem Normenkontrollantrag oder im Wege eines Verbandklagerechtes durch den LJV.

Es stellen sich aber 2 Möglichkeiten, die Richtlinie inzident einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen.

Die erste Möglichkeit ist als Jagdausübungsberechtigter oder Jagdrechtsinhaber gegen den Abschussplan als Verwaltungsakt mit den Rechtsmitteln der VwGO (Widerspruch und ggfls. anschließend Klage) vorzugehen. Das Verwaltungsgericht wird die Richtlinie als maßgebliche Grundlage des Abschussplanes inzident prüfen müssen.

Für die Hegegemeinschaften ergibt sich folgende Möglichkeit: Da das Ministerium von einer Genehmigungspflicht der internen Bejagungsrichtlinien der Hegegemeinschaften ausgeht, kann die alte bisherige Richtlinie der Hegegemeinschaft zur Genehmigung eingereicht werden. Sollte diese noch auf dem alten Rechtsstand beruhen, dürfte diese nicht genehmigungsfähig sein und das Ministerium müsste dann eine Genehmigung anhand ihrer eigenen Richtlinie versagen. Dies stellt wiederum einen rechtsmittelfähigen Verwaltungsakt dar, der letztlich einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden kann.

Abschließend sei angemerkt, dass im Übrigen, selbst wenn man von einer Weisungsbefugnis der Obersten Jagdbehörde gegenüber der Unteren Jagdbehörde ausgehen würde, auch für die Unteren Jagdbehörden der Grundsatz des Vorbehaltes des Gesetzes gilt.

Es obliegt dabei den Unteren Jagdbehörden in eigener Regie zu prüfen, ob sie sich im Rahmen des Gesetzesvorbehaltes an die Richtlinien gebunden fühlen.

Wir danken Herrn Rechtsanwalt Ulrich Goetjes als Mitglied der Expertengruppe Recht im LJV für die Ausarbeitung.

LJV Hessen


Download: Stellungnahme des LJV-Expertenausschuss Recht zur Schalenwildrichtlinie