Tierfundkataster: Registrieren – mitmachen – Leben retten

Unter den Schlagwörtern „Registrieren – mitmachen – Leben retten“ können seit Ende 2015 bundesweit Totfunde von Wildtieren gemeldet und in einer Datenbank gesammelt werden. Das Projekt „Tierfundkataster“ (TFK) wurde 2011 vom Landesjagdverband Schleswig-Holstein und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ins Leben gerufen und in Kooperation mit dem Deutschen Jagdverband (DJV) im Jahr 2016 auf das gesamte Bundesgebiet ausgeweitet.

Reh an der Strasse
Um noch mehr über die Todesursachen unserer Wildtiere zu erfahren und auch um weitere Wildunfallhäufungsschwerpunkte zu identifizieren, möchten wie Sie Alle aufrufen sich an dem Tierfund Kataster zu beteiligen. (Quelle: MRoss/DJV)

In Hessen wurden Ende 2015 die ersten drei Tierfunde (je ein Reh, Wildschwein und Waschbär) eingetragen und die Anzahl an Meldungen hat in den darauffolgenden Jahren kontinuierlich zugenommen. Bis zum 18. August 2022 sind insgesamt 5770 Totfundmeldungen in die Datenbank eingegeben worden. Die Meldungen erfolgten durch insgesamt 368 registrierte Nutzer. Rund 95% der Melder hat angegeben über einen Jagdschein zu verfügen (347), drei haben zum Jagdschein keine Angaben gemacht und 18 Nutzer haben angegeben keinen Jagdschein zu besitzen.

Im Rahmen dieses kleinen Beitrags möchten wir Ihnen einen Überblick über bisherigen Totfundmeldungen geben. Zuvor aber möchten wir allen Nutzerinnen und Nutzern des TFK ganz herzlich für ihre Mitarbeit danken. Jeder eingetragene Fund hilft dabei mehr über die Todesursachen von Wildtieren zu erfahren und nur so können auch geeignete Präventionsmaßnahmen in Gang gesetzt werden. In Schleswig-Holstein, wo das Tierfundkataster bereits 2011 etabliert wurde, fließen die Daten Beispielsweise in die Wildwarn-App „Wuidi“ mit ein, so dass Verkehrsteilnehmer gezielt vor Wildunfallhäufungsschwerpunkten gewarnt werden können. Auch für zukünftige Verkehrsplanungen können die gesammelten Daten wichtige Informationen liefern. So wurden auch bereits für Hessen schon Daten zu vereinzelten Wildarten angefragt.

Die Fundmeldungen dienen aber auch dazu weitere Todesursachen aufzuzeigen und können sogar im Seuchenfall helfen, die Ausbreitung von Krankheiten und deren Erregern einzudämmen. Meldungen von tot aufgefundenem Schwarzwild werden direkt an die zuständige Veterinärbehörde weitergeleitet. Diese kann dann aufgrund der Angaben entscheiden, ob es sich hier um einen ASP-Verdachtsfall handelt und den Fund evtl. persönlich in Augenschein nehmen bzw. mit dem Melder oder dem zuständigen Jagdpächter in Kontakt treten. Die Eingabe ersetzt natürlich nicht die Meldeverpflichtung nach § 24 Bundesjagdgesetz (BJG) im Seuchenverdachtsfall aber durch diese Funktion kann die Meldekette beschleunigt werden und sie kann so dabei helfen, die Ausbreitung zu verlangsamen.

Tierart201620172018201920202021(bis 18.08.) 2022Gesamt
Säugetiere (5284 Funde)
Rehwild562031882975305533482175
Waschbär16857717914813168704
Rotfuchs77241145135132107639
Wildschwein106349115957731440
Feldhase31219879111145368
Dachs2121332635030202
Steinmarder316934325724175
Igel1101337203620137
Europ. Eichhörnchen und Eichhörnchen unbest. Art132168351176
Oberkategorie Marder, Iltis oder Wiesel 71161514255
 Katzen (Hauskatzen, Wildkatzen und Katzen unbestimmte Art195211311565
Baummarder 1 9515434
Sonstige Säugetiere (Anzahl untersch. Arten bzw. Kategorien)1 (1)29 (7)15 (8)31 (11)33 (14)58 (15)47 (12)214
Vögel (238 Funde)
Mäusebussard 36101015852
Fasan 13526320
Tauben 4156161244
Stockente 11241413
Sonstige Vogelarten (Anzahl untersch. Arten bzw. Kategorien) 3 (3)2 (2)13 (9)17 (11)48 (16)26 (13)109
Weitere Tierfunde (21 Funde)
Insekten, Amphibien und Reptilien (Anzahl untersch. Arten bzw. Kategorien)   1 (1)10 (7)5 (4)2 (2)18
Sonstige Art    2 13
Tabelle 1: Übersicht der Totfundmeldungen aus Hessen im Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 18.08.2022.

Betrachtung der bisherigen Zahlen

Zusammensetzung

Abbildung 1: Entwicklung der Meldungen von Totfunden in Hessen. Der überwiegende Anteil der Meldungen betrifft tot aufgefundene Säugetiere.

Nach Durchsicht und Abzug von nicht auswertbaren Datensätzen konnten 5543 Meldungen aus dem Zeitraum vom 1. Januar 2016 – 18. August 2022 in die Auswertung einbezogen werden. Über 95% der Meldungen betrafen Totfunde von Säugetieren (5287). Der Fund eines toten Vogels wurde in 243 Fällen gemeldet (ca. 4,4 %), während Wildtiere wie Reptilien (z.B. Eidechsen), Amphibien (z.B. Frösche) oder Großinsekten (z.B. Libellen) mit nur insgesamt 18 Fundmeldungen den geringsten Anteil (ca. 0,32%) ausmachen.

Abbildung 2: Übersicht der Totfundmeldungen einzelner Wildarten. Rehwild stellt die am häufigsten gemeldete Wildart dar.

Rehwild stellt mit 2175 Einträgen, die mit großem Abstand am häufigsten gemeldete Wildart dar, gefolgt vom Waschbär (704), Fuchs (639), Schwarzwild (440), Feldhase (368), Dachs (220), Steinmarder (175) und dem Igel (137). Bei den Vögeln wurden besonders häufig Funde von Mäusebussard (52), Taube (44), Fasan (20) und Stockente (13) gemeldet.

Ursachen

Verkehrsunfälle und andere menschengemachte Ursachen wie das Ausmähen oder Zäunungen wurden bei den Säugern mit über 81% als häufigste Todesursache angegeben. Natürliche Todesursachen wie Krankheiten oder Verletzungen, Nahrungsmangel, Kälte oder Prädation (Riss/Rupfung) machen zusammen nur etwa 4% der Meldungen aus. Bei ca. 14 % der Meldungen war der Grund für das Versterben nicht ersichtlich (Unbekannt / Fallwild allgemein).

Abbildung 3: Übersicht der gemeldeten Todesursachen. Angegeben sind Ursachen, die bei mind. 1% der Meldungen genannt wurden. Die häufigsten Todesursachen für Wildtiere sind vom Menschen gemacht.

Auch bei den Vögeln erfolgten die meisten Funde im Bereich von Straßen, so dass der Verkehrsunfall mit 58% auch bei dieser Gruppe als häufigste Todesursache angegeben wurde. Weitere nicht natürliche Todesursachen sind das Ausmähen oder Verletzungen durch Hochspannungsleitungen. Als natürliche Todesursache wurde bei 1,7 % der Meldungen Prädation (Riss/Rupfung) angegeben. Bei rund 34 % der Meldungen war die Todesursache nicht ersichtlich (Unbekannt/ Fallwild allgemein).

Im Jahresverlauf

Abbildung 4: Monatliche Verteilung der Totfundmeldungen. Die meisten Meldungen erfolgen in den Monaten April bis September.

Die monatliche Verteilung der Meldungen zeigt, dass die meisten Meldungen in den Monaten April bis September erfolgen. Beim Rehwild ist besonders der Monat April und Mai sowie der Juli betroffen und damit die Monate, in denen das Rehwild besonders aktiv ist. Totfundmeldungen von Waschbären erfolgen vor allem zwischen Juli und Oktober, also in der Zeit, in der die Jungtiere bereits mobil sind und ihre ersten Streifzüge unternehmen. Auch beim Igel spiegeln die Fundmeldungen die Lebensweise wider. Die meisten Meldungen zu Totfunden von Igeln wurden in den warmen Monaten registriert, während ab dem späten Herbst bis zum Frühjahr, wenn Igel Winterruhe halten, so gut wie keine Meldungen erfolgten. Schwarzwild wird dagegen besonders häufig in den kalten Monaten tot aufgefunden. Auch hier ist der Großteil an Fundmeldungen auf Verkehrsunfälle zurückzuführen und gibt das natürliche Bewegungsverhalten wieder. Auf der Suche nach Nahrung haben Wildschweine in den Wintermonaten einen deutlich größeren Aktionsradius als in den Sommermonaten, wenn vor allem durch die Landwirtschaft ausreichend Nahrung vorhanden ist. Durch die erhöhte Mobilität steigt dann auch das Risiko für eine Kollision mit einem Fahrzeug.

Zeitliche Verteilung

Abbildung 5: Verteilung der Totfundmeldungen im Tagesverlauf. Dargestellt ist die angegebene Fundstunde. Die meisten Funde werden in den Morgenstunden gemacht.

Im Tagesverlauf werden die meisten Funde zwischen 7 Uhr und 11 Uhr gemeldet. Ein weiterer Peak ist in den Mittagsstunden zwischen 15 Uhr und 17 Uhr zu verzeichnen. In beiden Fällen wird der Berufsverkehr eine wesentliche Rolle spielen, da zum einen auf der Fahrt zur oder von der Arbeit die am Straßenrand liegenden Verkehrsopfer gesehen und gemeldet werden und zum anderen, weil in dieser Zeit auch die Wildunfallhäufigkeit aufgrund des verstärkten Verkehrsaufkommens deutlich höher ist. In der Winterzeit kommt noch hinzu, dass sich der Berufsverkehr mit der Dämmerungsphase, in der die Aktivität der Wildtiere nochmals deutlich zunimmt, überschneidet und sich dadurch auch die Wahrscheinlichkeit einer Kollision weiter erhöht.

Wildunfallhäufigkeitsschwerpunkte

Anhand der Meldungen konnten durch Mitarbeiter des TFK bereits Straßenabschnitte in Hessen ermittelt werden, die eine besonders hohe Anzahl an Wildunfällen aufweisen. Diese Wildunfallhäufungsschwerpunkte werden dabei sowohl für Unfälle mit Schalenwild als auch für Unfälle mit anderen Säugetieren berechnet und in der Karte des TFK farblich hervorgehoben.

Da eine Ausweisung von Wildunfallopfern in den Jagdstrecken nur für das Schalenwild erfolgt, wird durch das TFK so auch erstmals sichtbar, welche weiteren Tierarten vom Straßenverkehr in besonderer Weise betroffen sind und auf welchen Strecken es gehäuft zu Verkehrsunfällen mit kleineren Wildtieren kommt.

Abbildung 6: Darstellung der Wildunfallschwerpunkte am Beispiel der B323 bei Homberg/Efze. Die in den Kreisen angegebene Zahl gibt die Anzahl weiterer, örtlich nah beieinander liegender Funde an. Quelle: Bildschirmfoto der Karte des Tierfund-Katasters, Cadenza..

Beispielhaft gibt es im Schwalm-Eder-Kreis in der Nähe von Homberg-Efze zwei nahebeieinanderliegende Straßenabschnitte der B233 auf denen im Zeitraum 2016 bis 2020 mehr als 27 bzw. mehr als 16 Wildunfälle pro km Straßenabschnitt mit kleinen und mittelgroßen Säugetieren gemeldet wurden. Der Großteil der Meldungen umfasste Waschbären aber auch Füchse, Marder und Hasenartige waren betroffen. In der Wetterau befindet sich ein Feldhasen-Wildunfallhäufungsschwerpunkt auf der K10 bei Karben. Im Erfassungszeitraum 2016 bis 2020 wurden hier 19 Wildunfälle mit Feldhasen je km Straßenabschnitt registriert. Besondere Wildunfallhäufungsschwerpunkte mit Schalenwild ergeben die Daten aus den Jahren 2015 bis 2019 im Main-Kinzig-Kreis. Durch das konsequente Eintragen von verunfalltem Schalenwild wird mit 19,4, 15,6 und 17,4 Wildunfällen je km Straßenabschnitt beispielsweise das erhöhte Unfallrisiko an drei Straßenabschnitten allein im Bereich um Hasselroth sichtbar.

KreisGemeindeStraßenbezeichnungWildunfallhäufigkeit (pro km)
Main-Kinzig-KreisHasselrothK90319,45 Schalenwild
Main-Kinzig-KreisHasselrothK86215,67 Schalenwild
Main-Kinzig-KreisHasselrothL326917,41 Schalenwild
Marburg-BiedenkopfBei KirchhainB6227,32 Säuger ohne Schalenwild
WetteraukreisKarbenK1019,00 Feldhasen
Schwalm-Eder-KreisHomberg/EfzeB32327,60 Säuger ohne Schalenwild
Schwalm-Eder-KreisHomberg/EfzeB32316,59 Säuger ohne Schalenwild
Tabelle 2: Beispiele für ermittelte Wildunfallhäufungsschwerpunkte in Hessen. Wildunfälle pro Kilometer auf bestimmtem Straßenabschnitt.

Machen Sie mit

Abbildung 7: Darstellung von Totfundmeldungen in der App. Quelle: Bildschirmfoto der App Tierfund-Kataster.

Die Eintragungen ins Tierfundkataster machen das Ausmaß an menschenverursachten Wildtierverlusten insbesondere durch den Straßenverkehr sehr deutlich. Besonders wichtig ist dies bei den kleineren Wildarten, denn anders als beim Schalenwild, werden Unfälle mit Feldhasen, Igeln, Füchsen oder Waschbären sonst kaum dokumentiert.

Um weitere Wildunfallhäufungsschwerpunkte identifizieren zu können und die Öffentlichkeit für das Thema Wildunfälle zu sensibilisieren, möchten wir Sie aufrufen sich an dem Tierfundkataster zu beteiligen und Totfunde von Wildtieren zu melden. Sie helfen damit mehr über die Todesursachen von Wildtieren zu erfahren. Die Eintragungen können aber auch eine hilfreiche Dokumentation für ihr eigenes Revier sein, denn Sie können nicht nur ihre eigenen Funde einsehen, sondern bekommen auch Fundmeldungen andere Nutzer angezeigt und können unbekannte Tierfunde in ihren Streckenlisten vermerken.

Teilnahmemöglichkeiten über Webseite und Apps unter: