Liebe Jägerinnen und Jäger,
auf dem “Tag des Rotwildes” am 15. Juli 2023 in Bad Orb haben der Landesjagdverband Hessen und der Bayerische Jagdverband, verbunden durch die großen Rotwildgebiete Spessart und Rhön, eine Fachtagung veranstaltet. Renommierte Experten aus Wissenschaft, Forst und Jagdpraxis hielten Vorträge und zeigten Lösungswege auf, um die fortschreitende genetische Verarmung aufzuhalten. Verkürzte Unterkiefer bei Rotwildkälbern aus Nord- und Mittelhessen stellten bisher die Spitze des Eisberges der genetischen Verarmung dar. Doch nun wurde am 5. Juni 2023 am „Hohen Keller“ im Rotwildgebiet Burgwald-Kellerwald ein schwer krankes und kaum lauffähiges Rotwildkalb von Jägern gefunden und erlöst. Ein Video zeigt erschreckende Bilder. Es wurde zur Dokumentation angefertigt, um die veterinärmedizinischen Untersuchungen zu unterstützen. Nun bestätigten Wissenschaftler aus dem Arbeitskreis Wildbiologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, die das erlöste Kalb untersucht haben, die Ursache für die schweren körperlichen Einschränkungen: Das Jungtier erbte Defektgene von einem eng verwandten Mutter- und Vatertier. Der hohe Inzuchtgrad führte zu den körperlichen Missbildungen und enormen Qualen, dem dieses kaum lebensfähige Tier ausgesetzt war. Eine weitere Dezimierung des Rotwildbestandes, speziell in dem betroffenen Rotwildgebiet, würde die Situation zusätzlich verschärfen. Ursächlich für die genetische Verarmung, die mit jeder Brunft im Herbst mit großen Schritten voranschreitet, sind die zunehmende Eingrenzung der Lebensräume durch Autobahnen, Bundesstraßen aber auch durch restriktive Abschussvorgaben, die natürliche Wanderungen der Tiere in vielen Landesteilen nahezu unmöglich machen. Verschärft wird der Konflikt durch den Waldumbau und die Rückkehr des Wolfes. Es ist bereits fünf nach zwölf! Wenn die Politik nicht endlich handelt, lässt sich die Gefährdung der Überlebensfähigkeit des größten heimischen Säugetieres nicht mehr aufhalten. Ein erster wichtiger Schritt dabei ist, dass man junge wandernde Hirsche innerhalb und außerhalb der Rotwildgebiete schont, so die Forderung des Landesjagdverbandes Hessen. Es gilt, kleinere Rotwildgebiete wieder miteinander zu vernetzen und den Tieren artgerechte Wanderungen zu ermöglichen.
Das nun erlöste Jungtier bildet die traurige Spitze der genetischen Verarmung unseres heimischen Rotwildes. Der Landesjagdverband Hessen fordert schon seit vielen Jahren eine aktive Wiedervernetzung von Lebensräumen – zum Teil bereits erfolgreich. Aus den drei Rotwildpopulationen Krofdorfer Forst, Dill-Bergland und Lahn-Bergland muss dringend eine zusammenhängende Population im genetischen Austausch entstehen, damit das Überleben des Rotwildes in Mittelhessen langfristig sichergestellt ist. Es ist absolut unverständlich, dass sich gerade das grün geführte Umweltministerium in Hessen einer Wiedervernetzung durch strenge Abschussvorgaben in den Weg stellt und den Bau von Grünbrücken an den neuralgischen Punkten, z. B. an der A5 und der A45, nicht intensiver und entschlossener vorantreibt. Der Biodiversitätsgedanke scheint für das heimische Rotwild nicht zu gelten. Forstwirtschaftliche Ziele dürfen die Artenvielfalt nicht gefährden. Das Umweltministerium muss nun endlich anerkennen, dass sich die Tiere, als auch das gesamte Ökosystem, nur durch einen regen regelmäßigen Austausch selbst tragen können.
Der Landesjagdverband Hessen und der Bayerische Jagdverband appellieren mit Nachdruck an die Bundesregierung (zuständig für Autobahnen und Grünbrücken) sowie an das grün geführte Hessische Umweltministerium, die Wiedervernetzung von Lebensräumen voranzutreiben und überholte Abschussvorgaben abzuschaffen, die eine Gefahr für das Überleben des Rotwildes und für die Biodiversität in Hessen darstellen.
Auf dem “Tag des Rotwildes” am 15. Juli 2023 sind Bilder entstanden, die auf unserer Homepage (ljv-hessen.de) einsehbar sind. Interviews mit den Referenten finden Sie in unserem Instagramkanal und bei Facebook (auch ohne Facebook-Account aufrufbar, bitte das erscheinende Anmeldefenster einfach schließen).
Zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion zum Thema Jagd und Landwirtschaft laden der Verein der Jäger im Odenwald e.V. und der Regionalbauernverband Starkenburg e.V., in Kooperation mit dem Hessischen Landesjagdverband ein. Die Veranstaltung findet am 31. August 2023 um 19.30 Uhr in Bad König/Zell im Veranstaltungssaal des Gasthauses Krone (Königer Str. 1, 64732 Bad König) statt. Im Vorfeld der Hessischen Landtagswahl werden die Positionen der Parteien zu brennenden Themen rund um Jagd und Landwirtschaft beleuchtet und versucht, dem Wähler zu wichtigen Eckpunkten für den ländlichen Raum die Standpunkte der einzelnen Fraktion aufzuzeigen. Mitdiskutieren werden die fachpolitischen Sprecher der Landtagsfraktionen zu den Themen Jagd, Landwirtschaft und Umwelt: Michael Ruhl (CDU), Hans-Jürgen Müller (Bündnis 90/Die Grünen), Gernot Grumbach (SPD) und Wiebke Knell (FDP). Weitere Zusagen stehen noch aus. Mitglieder der Präsidien des Landesjagdverbandes und des Hessischen Bauernverbandes werden ihre Forderungen äußern. Die Liste der Themen ist lang: Photovoltaik auf Ackerland, Prävention Afrikanische Schweinepest, Düngemittelverordnung, Weidetierhaltung und Wolf, die Balance zwischen Wald und Wild, Bejagung invasiver Arten, Waffenrecht usw. Organisiert wird die Veranstaltung durch die Vertreter der Odenwälder Jägerschaft, Moritz Krellmann und der Odenwälder Landwirtschaft, Hans Trumpfheller. Die Veranstaltung ist für jeden offen, um rechtzeitiges Erscheinen (Parkplätze entlang der Hauptstraße) wird gebeten.
Liebe Jägerinnen und Jäger, ich wünsche Ihnen zur ausgehenden Blattzeit alles Gute und vor allem viel Waidmannsheil.
Ihr Prof. Dr. Jürgen Ellenberger
Präsident des Landesjagdverbandes