Liebe Jägerinnen und Jäger,
ich hatte in meinem letzten Vorwort berichtet, dass wir die Vereinsvorsitzenden in der ersten Märzwoche 2020 auf den Bezirkstagungen des Landesjagdverbandes Hessen über Art und Weise sowie Inhalt eines „Verbände-Gesprächs“ im HMUKLV im Februar 2020 informiert haben. Alle anwesenden Vereinsvorsitzenden wurden umfassend darüber informiert, dass vor diesem Gespräch dem Landesjagdverband Hessen, trotz ausdrücklichen Bittens, keine Tagesordnung übersandt worden war und dass die zahlreich anwesenden Mitglieder des Vorstandes des Landesjagverbandes in diesem Gespräch mit folgenden Ansinnen konfrontiert wurden: Bejagung des Rehwildes ab 1. April, Abschaffung der Abschlusspläne auf Rehwild und Einführung der Tresterkirrung. Ferner wurden die Vereinsvorsitzenden darüber informiert, dass bereits im Verlauf des Gesprächs im HMUKLV der Landesjagdverband seine Ablehnung solcher pauschalen Maßnahmen ohne Rücksicht auf tatsächliche Schad- und Gefährdungslagen zum Ausdruck gebracht hat. Die Vereinsvorsitzenden haben auf den Bezirkstagungen diesen Standpunkt mit großer Mehrheit unterstützt. Alle Vereinsvorsitzenden, auch die die auf den Bezirkstagungen nicht anwesend waren, wurden noch im März 2020 umfassend durch Übersendung des ausführlichen Protokolls der Bezirkstagungen über diesen Sachverhalt informiert. Nach den Bezirkstagungen hat der Landesjagdverband Hessen alle Mitglieder der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag angeschrieben und erläutert, dass und warum er eine Vorverlegung der Jagdzeiten ablehnt. Nachdrücklich und mit fundierten Sachargumenten wurde das im März 2020 nochmal gegenüber dem Jagdpoltischen Sprecher der CDU-Fraktion, Markus Meysner, vertieft erläutert.
Für uns völlig überraschend erfuhren wir Anfang April 2020 davon, dass Ministerin Hinz die Hessische Jagdverordnung noch viel weitgehender geändert hat und die Jagdzeiten für alle wiederkäuenden Schalenwildarten auf den 1. April ohne räumliche und zeitliche Beschränkung, also auf Dauer auch ohne Dürre und Borkenkäfer, vorverlegt hat. Dem Landesjagdverband Hessen war weder ein Entwurf der Änderungen zur Kenntnis gebracht worden, noch war dem Landesjagdverband Hessen Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden. Ein in einem demokratisch verfassten Rechtsstaat kaum vorstellbares Verhalten. Auch die Änderungsverordnung oder ein Hinweis darauf wurde dem Landesjagdverband vor Erlass nicht von Ministerin Hinz zugesandt. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Bündnis 90/Grüne ist versprochen worden, die Zusammenarbeit mit der Jägerschaft zu intensivieren. Sieht so eine intensive Zusammenarbeit aus?
Eine hessenweite Jagdzeitverlängerung ist weder nötig noch sachlich oder wildbiologisch zu begründen. Vielmehr geraten hochträchtige Ricken und alles übrige wiederkäuende Schalenwild in der Zeit der Stoffwechselumstellung in einen erhöhten Stresszustand. Fehlabschüsse beim weiblichen Rehwild sind vorprogrammiert, wenn es nur noch um „Zahl vor Wahl“ geht. Statt eines Schmalrehs könnte eine trächtige Ricke, die ein fast vollständig entwickeltes Kitz in sich trägt, erlegt werden. Zur Schadensabwehr war die Änderung der Jagdverordnung nicht notwendig. Hier bieten § 27 Bundesjagdgesetz und § 26 b Abs. 8 des Hessischen Jagdgesetzes die Möglichkeit von Ausnahmeregelungen für einen vorgezogenen Abschuss, wenn eine ausreichende Begründung vorliegt. Diese Begründung wollte man sich wohl sparen. Da fragt man sich, warum denn? Wenn tatsächlich der Schalenwildabschuss zur Schadensabwehr nötig ist, müsste man doch eine Begründung abgeben können. Oder hat man keine Begründung?
Der Landesjagdverband Hessen vermisst, dass bei den staatlichen Unterstützungen zu Wiederaufforstungen auch lebensraumverbessernde Maßnahmen für das wiederkäuende Schalenwild eingefordert und umgesetzt werden. Der Landesjagdverband hat einen Vier-Punkte-Plan erarbeitet und konstruktive Vorschläge zum Thema Wald mit Wild auch und gerade in Zeiten von Waldschäden erarbeitet (www.ljv-hessen.de: Pressemeldung 4-Punkte-Plan des LJV Hessen: „Wald mit Wild ist möglich“).
Verstörend ist, dass die hessischen Waldbesitzerverbände und der hessische Berufsjägerverband gemeinsam mit den bisher eigentlich eher als Jagdgegnern in Erscheinung getretenen BUND und NABU in einer gemeinsamen Pressemitteilung die Verlängerung der Jagdzeiten euphorisch bejubelt haben. Wie passt es zusammen, dass beispielsweise Waschbär und Fuchs nach Ansicht der letztgenannten Verbände aus Gründen des Tierschutzes lange Schonzeiten haben sollen, aber das Rehwild nun in Hessen zehn Monate lang bejagt wird, was geradezu frenetisch begrüßt wird. Wie passt das mit der Biodiversitätsstrategie von Umweltministerin Hinz und dem Artenschutz zusammen? Es zeigt sich einmal mehr, dass die einzigen wahren Anwälte der heimischen wildlebenden Tierwelt die verantwortlich jagenden und hegenden Jägerinnen und Jäger und deren Jagdverbände sind. In einem aktuellen Beitrag des Fernsehsenders ZDF vom 22. April 2020 konnten wird unsere sachlich fundierte Argumentation einem breiten Publikum deutschlandweit vorbringen.
Liebe Jägerinnen und Jäger, bleiben Sie gesund!
Mit den besten Grüßen und Waidmannsheil
Ihr Prof. Dr. Jürgen Ellenberger
Präsident des Landesjagdverbandes