Weniger Wildunfälle auf der ICE-Strecke: Jägerschaft und Bahn setzen auf Wildwarner und Vergrämung

Der Streckenabschnitt der ICE-Strecke Frankfurt–Köln zwischen Medenbach und Niederselters (Bahn-Kilometer 116,0 bis 145,4) zählt bundesweit zu den Hotspots für Wildunfälle auf Bahntrassen. Jährlich kommt es dort zu knapp 30 Kollisionen – überwiegend mit Rehwild (80 %), seltener mit Wildschweinen (20 %).

Der ICE erreicht auf der Strecke Frankfurt-Köln Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Wildtiere unterschätzen oft die Gefahr der Schnnellzüge. Die DB Fernverkehr AG und der Landesjagdverband Hessen setzen sich für eine Reduzierung der Wildunfallzahlen ein. Foto: Markus Stifter
Der ICE erreicht auf der Strecke Frankfurt-Köln Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 300 km/h. Wildtiere unterschätzen oft die Gefahr der Schnnellzüge. Die DB Fernverkehr AG und der Landesjagdverband Hessen setzen sich für eine Reduzierung der Wildunfallzahlen ein. Foto: Markus Stifter

Damit sind es zwar deutlich weniger Unfälle als auf Straßen, doch die Folgen sind gravierend: Tierleid, Zugstopps, aufwendige Streckenkontrollen und verspätete Anschlusszüge.

300 Wildwarner auf 20 Kilometern installiert

Bereits im August 2023 hat die DB Fernverkehr AG auf einem rund 20 Kilometer langen Abschnitt – Tunnelbereiche ausgenommen – insgesamt 300 optisch-akustische Wildwarner installiert. Diese sind im Abstand von rund 70 Metern beidseitig an jedem Oberleitungsmasten angebracht. Nähert sich ein ICE, registrieren die Warngeräte das Geräusch und geben einen hochfrequenten Pfeifton ab, um in der Nähe stehendes Wild zu warnen. Der ICE selbst wird von den Wildtieren oft nicht als Gefahr wahrgenommen. Nachts ist an den Wildwarnern zusätzlich ein blaues Blinklicht zu sehen, das Wildtiere abschrecken soll. Ziel ist es, das Wild vor dem Eintreffen des ICE zum Verhoffen zu bringen und so ein Überspringen der Gleise zu vermeiden.

LJV unterstützt mit Wildkameras und jagdlicher Expertise

Der Landesjagdverband Hessen (LJV) hat sich aktiv in das Projekt „Wildunfallprävention an der ICE-Strecke Frankfurt-Köln“ gemeinsam mit den örtlichen Jagdpächtern, den Unteren Jagdbehörden und den Forstämtern mit Revierkenntnis und praktischer Erfahrung eingebracht. Vor Ort wurden Ortsbesichtigungen durchgeführt und Wildkameras installiert, um Wechselbewegungen in unmittelbarer Gleisnähe zu analysieren. Die Wildkameras wurden von der Firma Seissiger kostenfrei zur Verfügung gestellt. An mehreren Stellen existieren starke Wildwechsel – diese Bereiche sollen gezielt für das Wild unattraktiv gemacht werden.

Vergrämung statt Verdrahtung

Neue Zäune sind nicht vorgesehen – stattdessen setzt die Jägerschaft auf Vergrämungsmaßnahmen durch verstärkte Ansitzaktivitäten. Allein die regelmäßig vorhandene menschliche Witterung führt dazu, dass das Wild diese sensiblen Bereiche meidet. Die Maßnahme ergänzt den technischen Schutz durch die Wildwarner und vermeidet zusätzliche Barrieren in der Landschaft.

Unfälle deutlich reduziert – Beispiel Niedernhausen

Eine erste Praxisbilanz ist vielversprechend: Seit der Einführung der Maßnahmen ist die Zahl der Wildunfälle in diesem Abschnitt um rund ein Drittel gesunken. Im Bereich Niedernhausen wurde im Jahr 2024 bislang nur ein einziger Wildunfall registriert. Das zeigt: Prävention funktioniert – wenn Technik und Jagdpraxis Hand in Hand gehen.

Gefahr für Wildtiere – und für den Bahnverkehr

Ein Aufprall mit einem ICE bleibt oft nicht folgenlos: Die Züge erreichen auf der Strecke ihre Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h. Der Bremsweg bei einer Notbremsung beträgt bis zu drei Kilometer – ein rechtzeitiges Anhalten ist faktisch unmöglich. Zwar besteht keine Gefahr für Fahrgäste, jedoch kann ein Wildkörper unter dem Zug Schäden verursachen, die aufwändige Reparaturen und langwierige Standzeiten nach sich ziehen.

Gemeinsames Ziel: Verkehrssicherheit und Tierschutz

„Wildunfallprävention ist aktiver Tierschutz und trägt zugleich zur Stabilität des Bahnverkehrs bei“,

betont LJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Ellenberger.

„Der LJV hat seit dem Jahr 2018 u. a. einen ‚Tag zur Wildunfallprävention‘ sowie eine große Plakat- und Hörfunkkampagne initiiert, um Wildunfälle an Straßen zu reduzieren. Während die bisherigen Kampagnen an Autofahrerinnen und Autofahrer gerichtet sind, geht es bei der Wildunfallprävention an der Bahnstrecke darum, Wildtiere vor der Gefahr eines herannahenden Zuges zu warnen“,

so der LJV-Präsident. Der LJV wird sich weiterhin aktiv in das Projekt einbringen, um einerseits das Tierleid aber auch negative Folgen für den Bahnverkehr bestmöglich zu vermeiden.