Als Leitwildart ist das Rotwild in Hessen vielen Stressfaktoren, wie einem stetig steigenden Freizeitdruck oder auch einer Verinselung durch ein immer enger werdendes Autobahnen- und Straßennetz, ausgeliefert. In einigen Gebieten, wie dem Krofdorfer Forst oder in Wattenberg-Weidelsburg sind die Populationen bereits durch eine zu geringe genetische Basis in ihrer Gesundheit und Vitalität bedroht.
Gebiets-Lebensraumkonzept Lahn-Bergland vorgestellt
Intelligente Konzepte, die den Lebensraum und die Interessen aller Akteure aus Landwirtschaft, Forst und Jagd bündeln, sind gefragt, um dem „König der Wälder“ auch in Zukunft eine Lebensgrundlage in Hessen bieten zu können. Ein solches „Gebiets-Lebensraum-Gutachten mit Umsetzungskonzept“ hat die Rotwild-Hegegemeinschaft „Lahn- Bergland“ am 16. Dezember 2019 in Biedenkopf vorgestellt.
Eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Vorsitzenden Bernd Weide hat das Lebensraumkonzept in einer dreijährigen Projektphase ehrenamtlich und mit Unterstützung des Landesjagdverbandes Hessen entwickelt. Als Schirmherrin konnte die Landrätin des Kreises Marburg-Biedenkopf, Kirsten Fründt, gewonnen werden. Die studierte Agrarwissenschaftlerin lobte das große Engagement aller beteiligten Akteure und Organisationen, die für das nun vorliegende Konzept so eng zusammengearbeitet haben, um den Lebensraum für das Rotwild zu entwickeln. Die Jägerschaft genieße im Landkreis, der aus 43 Prozent Wald und 40 Prozent landwirtschaftlicher Fläche bestehe, ein hohes Ansehen und sei sehr wichtig für die Region.
Lob für Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure
Rolf Schulzke, der Leiter der Oberen Jagdbehörde im Regierungspräsidium Kassel, betonte noch einmal das vorausgegangene Lob für die interdisziplinäre Zusammenarbeit. In der heutigen Zeit seien Gebiets-Lebensraumkonzepte, wie das nun für das Lahn-Bergland vorgelegte, notwendiger denn je.
LJV-Präsident Prof. Dr. Jürgen Ellenberger dankte allen Beteiligten für die intensive Zusammenarbeit, die zum Gelingen des Gebiets-Lebensraum-Gutachtens beigetragen haben. Er bekräftige die Unterstützung des Landesjagdverbandes auch für weitere Lebensraumkonzepte:
„Dies ist der richtige Weg, um die Konflikte zwischen Natur und menschlicher Nutzung zu verdeutlichen und Lösungswege aufzuzeigen. Das Rotwild schält nicht, weil es böse ist, sondern weil es Hunger hat.“
Das Wild werde auf dem Weg zur Nahrungsaufnahme häufig durch Wanderer oder Mountainbiker gestört und so wieder in den Wald zurückgetrieben.
„Wir wollen Wald mit Wild und den Wildtieren einen Raum geben sowie Wildruhezonen einrichten“,
so Ellenberger weiter. Die vorgelegten Lebensraumkonzepte seien nicht statisch, sondern ein laufender Auftrag an Jägerschaft, Bevölkerung, Land- und Forstwirtschaft.
Kritik an der Schalenwildrichtlinie
In der im Frühjahr 2019 vorgelegten Schalenwildrichtlinie sei das ehrenamtliche Engagement der Jägerschaft und der Hegegemeinschaften nicht mehr gewollt. Es könnte nicht sein, dass Wildtiere abgeschossen werden müssen, nur um günstigen Waldbau zu betreiben. Insgesamt 19 Klagen seien gegen die Festsetzung der Abschusspläne aufgrund der neuen Schalenwildrichtlinie bei den hessischen Verwaltungsgerichten eingereicht worden.
„Das Hessische Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hat auf die ersten Klagen und die massiven Proteste des Landesjagdverbandes bereits reagiert und einen Passus in der Schalenwildrichtlinie gestrichen. Auf dem Papier liegt die Verantwortlichkeit für die Abschusspläne nun wieder bei den Unteren Jagdbehörden. Bei der Abschussplanung sind die Vorschläge der Hegegemeinschaften wieder angemessen zu berücksichtigen. Ob das, was auf dem Papier steht, auch gelebt wird, wird sich im kommenden Jagdjahr zeigen“,
so Ellenberger.
Er lobte allerdings auch das überwiegend sehr gute Verhältnis der Unteren Jagdbehörden zur Jägerschaft und wünschte sich weiterhin ein vernünftiges Miteinander.
Persönlich freue er sich schon sehr auf den Landesjägertag, der am 9. Mai 2019 in Gladenbach von der Jägervereinigung Hinterland e. V. im Landkreis Marburg-Biedenkopf ausgerichtet werde.
Bernd Weide, der Vorsitzende der Rotwildhegegemeinschaft Lahn-Bergland, berichtete von der Gründung der Hegegemeinschaft am 20.03.1955. Auf der Gesamtfläche der Hegegemeinschaft würden jährlich rund 120 Stück Rotwild erlegt, das entspräche 1,6 Stück pro 100 Hektar. In der Hegegemeinschaft habe sich die Bejagung immer am Zuwachs orientiert und sei somit stets nachhaltig gewesen. Nach der Feststellung höherer Schälschäden, um die 2-3 Prozent bei der Fichte, seien in der Spitze 157 Stück Rotwild erlegt worden. Sein persönliches Fazit lautete: „Nicht der Wald stirbt, sondern kleinere und mittelgroße Waldbesitzer und deren Betriebe.“
Die Einnahmen aus der Jagdpacht seien für Waldbesitzer jedoch auch ein wichtiger Aspekt und müssten neben den wirtschaftlichen Zielen des Waldbaus entsprechend berücksichtigt werden. Für die Zukunft wünschte er sich eine Vernetzung der Rotwildgebiete sowie die Gestaltung von Wanderkorridoren. Denn ohne einen genetischen Austausch unterhalb der Populationen steige die Inzuchtgefahr und diese wiederum sei unter dem Aspekt des Tierschutzes höchst problematisch.
In den nächsten 2-3 Jahren ist eine Fortschreibung des Lebensraumkonzeptes geplant, die das Handeln der Akteure rund um die Leitwildart Rotwild engmaschig und transparent dokumentiert. Der Leitspruch müsse stets:
„Wald MIT Wild“ und nicht „Wald ohne Wild“
lauten.
Wolfgang Thiel beurteilte die Teilnahme innerhalb der Hegegemeinschaft als „überragend“. Bei den versendeten Fragebögen, die als Basis für die Revierdatenerhebung notwendig waren, gab es einen Rücklauf von 98 % und ein großes Interesse an der gemeinschaftlichen Arbeit. Nur so konnte der erzielte Konsens im Rahmen des Konzeptes präsentiert werden.
Der LJV wird das Projekt weiterhin als Partner begleiten und sich insbesondere für in den Bereichen Tourismus, Freizeitnutzung als auch in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einbringen.