Lebensraum Kulturlandschaft: Wir können davon leben, wenn andere darin überleben!

In unserer intensiv genutzten Kulturlandschaft geraten viele Arten ins Hintertreffen: Der natürliche Lebensraum vieler Wildtiere ist durch den Ausbau von Siedlungs- und Verkehrsflächen zerschnitten oder völlig zerstört worden. Die Jägerinnen und Jäger in Hessen setzen sich deshalb in vielfältigen Aktionen und Projekten für den Erhalt oder die Gestaltung von natürlichen Lebensräumen ein.

Blühwiese
Artenreiche Blühwiesen bieten Insekten und Wildtieren Nahrung und Deckung. Foto: Stöveken/LJV

Erst am Montag, 6. Mai 2019 wurde in Paris der Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) vorgelegt. Demnach sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine Million Arten vorm Aussterben bedroht. Das sechste Massensterben der Erdgeschichte stehe kurz bevor, warnen die Wissenschaftler. Um viele Arten ist es schlecht bestellt auf unserem Planeten.

Doch nicht nur der Klimawandel wirkt sich auf die heimischen Arten aus. Allein in Deutschland wurden im Zeitraum zwischen 1992 und 2016 rechnerisch rund 102 Hektar Flächen (mehr als ein Quadratkilometer) pro Tag mit Beton oder Asphalt zugebaut. Wertvolle Naturflächen für unsere heimischen Wildtiere wurden so für immer zerstört. Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag senken. (Quelle: Umwelt Bundesamt)

Jäger müssen an den Stellschrauben drehen, die sie erreichen können

Doch die Jägerinnen und Jäger in Hessen wollen sich auf diese Aussage nicht verlassen. Tagtäglich sehen sie die Not vieler wildlebender Tiere und packen dort an, wo die Hilfe am nötigsten ist. „Auf den zivilisatorischen Flächenverbrauch haben wir keinen Einfluss. Wir Jägerinnen und Jäger müssen an den Stellschrauben drehen, die wir erreichen können und die sich auf möglichst alle Tierarten positiv auswirken“, so Prof. Dr. Jürgen Ellenberger, Präsident des Landesjagdverbandes Hessen.

In gemeinsamen Aktionen mit Landwirten, Imkern und Fischern werden neue Biotope angelegt und nachhaltig betreut. Auch die Anlage von kleinen Randstreifen an Wegen bringt schon messbare Erfolge. Dort finden nicht nur Insekten Nahrung, sondern auch das Rebhuhn oder der Feldhase. Zudem bieten ganzjährige Blühflächen auch Deckung und Schutz vor Beutegreifern, Wind und Wetter. Im langen Dürresommer 2018 wurden die Wildtiere in vielen Orten mit Wasser versorgt, von der kleinen Tränke für Rebhühner und Bodenbrüter bis zur Versorgung von ausgetrockneten Wasserstellen im Wald. Das ehrenamtliche Engagement der gut ausgebildeten Jägerinnen und Jäger, die sich selbst als „Anwälte des Wildes“ verstehen, hat vielerorts Erfolge gezeigt und ist weder in Arbeitsstunden noch in Geld hochzurechnen. Bis auf wenige Fördermittel, z. B. für Saatgut für die Anlage von Blühstreifen, stemmen die Jäger alles aus eigener Tasche.

Vernetzung durch Blühstreifen

Dieter Göbel, Vorsitzender von Jagd und Natur Südhessen: „Neben Erdhügeln für Bienen und zahlreichen Blühstreifen wird in vielen Revieren auf stillgelegten Feldwegen in Südhessen ebenfalls eingesät, um eine Vernetzung der einzelnen Flächen zu erreichen. Außerdem haben wir Futterplätze für den Rotmilan und zahlreiche Rebhuhnfütterungen eingerichtet.“

Die Jägerinnen und Jäger haben dabei stets alle Tierarten im Blick. „Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass einzelne heimische Arten verschwinden oder gar aussterben. Jede Art trägt zum biologischen Gleichgewicht bei und ist für die Biodiversität von enormer Bedeutung. Deshalb jagen wir auch nur Wildtiere, deren Bestand gesichert ist. Die Gewinnung eines der gesündesten Lebensmittel – dem Wildbret – ist für uns die nachhaltigste Form der Naturnutzung“, so Ellenberger weiter.

Als anerkannter Naturschutzverband engagiert sich der LJV Hessen u. a. auch für den Bau von Grünbrücken, um durch Autobahnen und Landstraßen zerschnittene Lebensräume wieder zu vernetzen.

Hand in Hand zur Jungwildrettung

Gerade in den Frühjahrsmonaten, in der die meisten Vogelarten brüten oder Jungtiere von Rehen und Hasen zur Welt kommen, engagieren sich die Jägerinnen und Jäger bei der Rettung von Jungwild. In enger Abstimmung mit den Landwirten werden auf Wiesenflächen, die am Folgetag gemäht werden sollen, Scheuchen oder Pfähle mit Flatterbändern aufgestellt. Auch wenn abends oder nachts aus den Feldern noch ein Radio ertönt, kann dies Wildtiere vor der drohenden Gefahr warnen. So legen z. B. Ricken ihre Kitze nicht mehr in den Wiesen ab. Die Scheuchen oder die Geräusche aus dem Radio signalisieren „Gefahr“. Schon seit vielen Jahrzehnten, auch als noch mit der Handsense gemäht wurde, suchen Jäger vor der Mahd Wiesenflächen mit ihren gut ausgebildeten Jagdhunden ab, um so Jungwild oder auch die Nester von Bodenbrütern aufspüren zu können. Kitze werden am besten auf einem Grasbüschel und mit Handschuhen aus der Wiese getragen, damit sie die menschliche Witterung nicht annehmen. Nester von Bodenbrütern werden mit einem Stab und Flatterband markiert, damit der Landwirt die Stelle beim Mähen ausspart.

Technische Hilfsmittel wie Drohnen mit Wärmebildkamera oder Infrarotsuchbalken können dabei ergänzend eingesetzt werden.