Jagdpolitische Ausführungen des Präsidenten Prof. Dr. Jürgen Ellenberger auf dem Landesjägertag in Reinheim (Auszug)
Das Motto des Landesjägertages 2019 lautet “Lebensraum Kulturlandschaft: Wir können davon leben, wenn andere darin überleben!” Erst kürzlich wurde in Paris der Bericht des Weltbiodiversitätsrates (IPBES) vorgelegt. Demnach sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten eine Million Arten vom Aussterben bedroht. Doch die Jägerinnen und Jäger in Hessen sind aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Passion seit Generationen aktive Artenschützer. Sie packen dort an, wo die Hilfe am nötigsten ist. Auf den zivilisatorischen Flächenverbrauch haben wir keinen Einfluss. Wir Jägerinnen und Jäger müssen an den Stellschrauben drehen, die wir erreichen können und die sich auf möglichst alle Tierarten positiv auswirken. In gemeinsamen Aktionen mit Landwirten, Imkern und Fischern werden neue Biotope angelegt und nachhaltig betreut. Auch die Anlage von kleinen Randstreifen an Wegen bringt schon messbare Erfolge. Dort finden nicht nur Insekten Nahrung, sondern auch das Rebhuhn oder der Feldhase. Zudem bieten ganzjährige Blühflächen auch Deckung und Schutz vor Beutegreifern, Wind und Wetter. Das ehrenamtliche Engagement der gut ausgebildeten Jägerinnen und Jäger hat vielerorts Erfolge gezeigt und ist weder in Arbeitsstunden noch in Geld hochzurechnen. Bis auf wenige Fördermittel, z. B. für Saatgut für die Anlage von Blühstreifen, stemmen die Jäger alles aus eigener Tasche. Wichtig ist, dass alle Akteure in der Fläche mit ins Boot genommen werden. Insbesondere die Landwirte sind gerne bereit, bei der Anlage von Blühstreifen und blühenden Bejagungsschneisen zu helfen. Sie dürfen dabei aber nicht durch bürokratische und unflexible Förderrichtlinien der EU behindert werden.
In einer Presseerklärung des Umweltministeriums heißt es: Hessen stärkt deshalb eine Landwirtschaft, die Lebensräume und Nahrung bietet. Auch zahlreiche Naturschutzprojekte zum Beispiel zum Schutz von Leitarten der Feldflure sowie Renaturierungen sorgen für den Erhalt von Lebensräumen. Wir setzen in Hessen eine Politik um, die neben Insekten, auch Vögeln und kleinen Säugetieren zu Gute kommt und unser Ökosystem stärkt. Das klingt gut, Frau Dr. Tappeser: Halten Sie sich an den Koalitionsvertrag von CDU und Grüne und setzen Sie diese Ziele in intensiver Zusammenarbeit mit den Jägern in Hessen um! Wir stehen bereit und erwarten von der CDU, dass sie über die Einhaltung des Koalitionsvertrages wacht. Zweifel erweckt der zweite Teil der Presseerklärung, wenn es dort zum Rebhuhn heißt: „Von 294 Revieren, die zwischen 1992 und 1994 erfasst wurden, konnte die Hessische Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON) 2018 nur noch 35 Reviere bestätigen. Das bedeutet eine Abnahme von 90 Prozent in 25 Jahren.” Was bitteschön hat HGON mit dem Rebhuhn zu tun? Diese Art unterliegt dem Jagdrecht. Jägerinnen und Jäger hegen das Rebhuhn seit Jahrzehnten. Die Jägerinnen und Jäger in Hessen legen zahlreiche Blühstreifen in vielen Revieren an, schaffen eine Vernetzung von Flächen und haben zahlreiche Rebhuhnfütterungen eingerichtet. Woher hat HGON seine Zahlen? Die Jägerinnen und Jäger in Hessen haben im Rahmen des Wildtierinformationssystems der Länder Deutschlands (WILD) valide Zahlen ermittelt, die den korrekten Besatz widergeben. In diesem Jahr findet wieder die flächendeckende Erfassung statt. Durch das Rebhuhnverhören haben die Jägerinnen und Jäger eine wissenschaftlich anerkannte Methode an der Hand. Wichtig: Nur die örtlich zuständigen Jägerinnen und Jäger dürfen diese Methode anwenden. Dritten ist es durch das Jagdrecht untersagt, Wild aufzusuchen oder gar zu stören. Auch hier pochen wir auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages.
Die Jägerinnen und Jäger haben dabei stets alle Tierarten im Blick. Es ist für uns nicht hinnehmbar, dass einzelne heimische Arten verschwinden oder gar aussterben. Jede Art trägt zum biologischen Gleichgewicht bei und ist für die Biodiversität von enormer Bedeutung. Deshalb jagen wir gezielt auf die Fressfeinde der gefährdeten Tierarten. Es ist nicht verständlich, dass das Umweltministerium einerseits den Verlust des Rebhuhns beklagt und anderseits die, die das Rebhuhn fressen, schützt. Nach dem Koalitionsvertrag von CDU und Grünen in Hessen ist die Schonzeit für den Waschbären aufzuheben. Warum ist das nicht schon in diesem Jahr geschehen? Es gibt keinen Grund für die Verzögerung, die vielen gefährdeten Tieren in diesem Sommer das Leben kosten wird. Der Fuchs hat weiterhin eine Schonzeit in Hessen. Er ist der maßgebliche Feind von Wiesenbrütern. Wissenschaftliche Untersuchungen im Bremer Blockland haben die positive Wirkung der Fallenjagd auf den Fuchs für den Bestand der Bodenbrüter bestätigt. Warum verschließt man sich in Hessen diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen und folgt der Ideologie vermeintlicher Tierschützer?
Als anerkannter Naturschutzverband engagiert sich der LJV Hessen u. a. auch für den Bau von Grünbrücken, um durch Autobahnen und Landstraßen zerschnittene Lebensräume wieder zu vernetzen. Ein wissenschaftliches Gutachten von Prof. Dr. Dr. Reiner hat jetzt bestätigt, dass durch fehlende Querungshilfen eine dramatische genetische Verarmung der hessischen Rotwildpopulationen eingetreten ist. Es müssen dringend Grünbrücken etwa an der A 45 bei Haiger und der A 5 im Raum Gießen gebaut werden. Den Erkenntnissen von Prof. Dr. Dr. Reiner steht auch die neue hessische Schalenwildrichtlinie entgegen. Diese wird durch ihre undifferenzierten Abschussvorgaben die genetische Verarmung geradezu befördern und so den gesunden Bestand des „Königs der Wälder“ in Hessen konterkarieren. Bei der Schalenwildrichtlinie wurde der Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen in mehrfacher Hinsicht gebrochen. Es hat keine intensive Zusammenarbeit mit den Jägern stattgefunden, sondern sie wurde im Hauruck-Verfahren durchgeboxt. Das Hessische Jagdgesetz, dass nach dem Vertrag Bestand haben soll, wurde missachtet. Die Hegegemeinschaften wurden marginalisiert. Das ehrenamtliche Engagement der Jägerinnen und Jäger als Sachverständige und Hegegemeinschaftsleiter wurde beiseite gedrückt – und das, obwohl das Ehrenamt nunmehr in Hessen Verfassungsrang hat. Im Koalitionsvertrag und im Hessischen Jagdgesetz ist das Prinzip Wald mit Wild verankert. Die Schalenwildrichtlinie führt das Prinzip Wald vor Wild oder noch schlimmer ohne Wild ein. Wir erwarten von der CDU in Hessen, dass sie ihre Wahlversprechen, die sie den Jägern gemacht hat und die zum Teil in den Koalitionsvertrag eingeflossen sind, auch einhält. Die Schalenwildrichtlinie muss dringend ausgesetzt oder geändert werden.
Gerade in den Frühjahrsmonaten, in denen die meisten Vogelarten brüten oder Jungtiere von Rehen und Hasen zur Welt kommen, engagieren sich die Jägerinnen und Jäger bei der Rettung von Jungwild. Zu diesem Thema hat der Landesjagdverband zusammen mit den Junglandwirten eine tolle Veranstaltung in Wetzlar beim NZH gemacht. Betont wurde dabei, wie wichtig das Miteinander von Landnutzern und Jägern ist. In enger Abstimmung mit den Landwirten werden auf Wiesenflächen, die am Folgetag gemäht werden sollen, Scheuchen oder Pfähle mit Flatterbändern aufgestellt. Auch wenn abends oder nachts aus den Feldern noch ein Radio ertönt, kann dies Wildtiere vor der drohenden Gefahr warnen. Die klassische und nach wie vor erfolgreiche Methode ist auch das Durchgehen des Jägers mit dem Jagdhund vor der Mahd. Technische Hilfsmittel wie Drohnen mit Wärmebildkamera oder Infrarotsuchbalken können dabei ergänzend eingesetzt werden. Sie sind aber keine Allheilmittel.
Die zunehmende Wolfspopulation in Deutschland hat dazu geführt, dass die Kanzlerin das Thema zur Chefsache gemacht hat. Über 470-mal haben Wölfe 2017 Nutztiere angegriffen, mehr als 1.660 Schafe, Ziegen, Pferde und Rinder starben. Das sind 55 Prozent mehr als im Jahr davor. Die Zahl der offiziell erfassten Angriffe stieg sogar um zwei Drittel. Nach realistischen Schätzungen leben bereits jetzt zwischen 1.000 und 1.300 Wölfe in Deutschland. Eine Verdopplung innerhalb von drei Jahren ist anzunehmen. Das Aktionsbündnis Forum Natur (AFN) sowie die Verbände der Halter von Weidetieren fordern deshalb den Einstieg in ein geregeltes Management für den Wolf, weil die bisherige Wolfspolitik darin bestanden habe, Probleme mit dem Wolf zu verharmlosen, die Bestände des Wolfes kleinzureden und die Weidetierhalter mit vermeintlich sicheren Herdenschutzmaßnahmen und Ausgleichszahlungen hinzuhalten. Diese Politik sei gescheitert und von der Realität überholt. Das Thema hat jetzt auch Hessen erreicht. In Licherode in Nordhessen gab es kürzlich einen mittlerweile bestätigten Wolfs-Riss. Auf Anfrage des Landesjagdverbandes kamen als Antwort nur Allgemeinplätze. Auch hier fordern wir eine offene und transparente Informationspolitik und Zusammenarbeit mit der hessischen Jägerschaft.