Ausgangslage
Nach den Dürreperioden 2018 und 2019 und damit verbundenen Kalamitäten durch Schädlinge und Krankheiten an vorherrschenden, forstwirtschaftlich genutzten Hauptbaumarten mit verheerenden Auswirkungen auf den allgemeinen Waldzustand werden derzeit dringend erforderliche Maßnahmen zur Rettung der Waldbestände durchgeführt und vorbereitet.
Durch Entstehung von mehr oder weniger großen Kahlschlägen durch Entfernen von Käferholz (Fichte, auch Douglasie) und absterbenden Laubholz (v.a. Buche) ist eine Wiederaufforstung in größerem Umfang erforderlich.
Zum Zweck der Schadensaufarbeitung und vor allem zur Wiederaufforstung sollen den Staatsforsten und den Wäldern in Kommunal- und Privatbesitz bundesweit ca. 1,5 Mrd. € und in Hessen mindestens 200 Mio. € aus Steuermitteln zur Verfügung gestellt werden. Diesem Finanzierungsangebot ist das Prinzip „Öffentliches Geld für öffentliche Leistung“ zu Grunde zu legen.
Zielstellung
Ziel ist einerseits die Finanzierung von kostenintensiven Maßnahmen zur Schadensaufbereitung entstandener Schäden im wirtschaftlichen Bereich und andererseits die Neuaufforstung unter besonderer Berücksichtigung des Aufbaus von Waldgesellschaften, die auch unter dem erwarteten Klimawandel in Zukunft einen nachhaltig nutzbaren Holzzuwachs gewährleisten und gleichzeitig den biologischen und gesellschaftlichen Anforderungen gerecht werden.
Sowohl Naturverjüngungen als auch insbesondere die hier erforderlichen, gezielten Aufforstungen mit dem prioritären Ziel klimaangepasster künftiger Waldbestände sollen dabei grundsätzlich möglichst ohne weitreichende Schutzmaßnahmen u.a. gegen Wildverbiss möglich sein. Der in diesem Kontext immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragenen Pauschalforderung nach erhöhtem Schalenwildabschuss auf Grund generell und flächendeckend „überhöhter Schalenwildbestände“ ist dabei entschieden entgegenzutreten. Zum einen sind dem Generalabschuss vom Schalenwild gemäß den wildbiologischen Zusammenhängen und nach dem gesetzlichen Arten- und Tierschutz Grenzen gesetzt, zum anderen ist das pauschale Postulat von flächendeckend überhöhten Wildbeständen weder zutreffend noch sachgemäß.
Hoher Jagddruck wirkt im ökologischen Zusammenhang eher kontraproduktiv: Geringer werdende Schalenwildbestände verringern das Beuteangebot großer zuwandernder Raubsäuger wie Luchs und Wolf und können damit das Risiko von Nutztierrissen deutlich erhöhen. Erhöhter Jagd- und Prädationsdruck verursacht gerade bei rudelbildenden Arten (Rotwild) zudem die Bildung von größeren bis großen Herden mit entsprechend erhöhtem Wildschadensrisiko auf engem Raum.
Grundsätzlich muss es das Ziel gemeinsamer Anstrengungen von Naturschutz, Forstwirtschaft und Jagd sein, neben einer sachgemäßen „Hege mit der Büchse“ auch das Potential an Lebensraumkapazität für die einzelnen Arten unter Beachtung der landeskulturellen Ansprüche des Menschen möglichst optimal zu gestalten. Nur so können an wildbiologische und landeskulturelle Anforderungen angepasste Populationsstärken pflanzenfressender Arten nachhaltig gesichert werden.
Aus diesem Grund sind die geforderten Anstrengungen zur Walderneuerung auf Grund der geschilderten Ausgangslage durch entsprechende Maßnahmen zu flankieren und diese an die Auslobung von staatlichen Fördergeldern verpflichtend zu binden.
Maßnahmen
Neben segretativen Maßnahmen sind insbesondere auch integrative Maßnahmen der Waldbewirtschaftung für die Förderung der biologischen Vielfalt erforderlich („Integrative Ansätze als Chance für die Erhaltung der Artenvielfalt in Wäldern“; Daniel Kraus und Frank Krumm (Hrsg.), 2013). Danach sind „in einem rein integrativen System … Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung wichtiger Habitatstrukturen Teil einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung“. Hierzu zählen insbesondere auch Waldbaumarten der Baum- und Strauchschicht mit herausragender Habitatqualität wie zum Beispiel Wildobstarten (Wildkirsche, Wildbirne), Liguster, Ginster und Aspe. Auf zusammenhängenden Flächen können so auch kleinräumige Niederwald- und Vorwaldgesellschaften sowie Schlehen- und Ginstergesellschaften etabliert werden. Gegebenenfalls sind während der Anpflanzphase geeignete Schutzmaßnahmen angezeigt.
Die unten genannten Baum- und Straucharten sind gleichermaßen wertvoll und maßgeblich für eine nicht nur marginale Verbesserung der Lebensraumkapazität für heimische Pflanzenfresser und taugen zur Vermeidung von Wildschäden (Verbiss, Schäle) an den wirtschaftlich wertvollen Hauptbaumarten.
Sie dienen außerdem der Erhöhung der Biodiversität. Viele als Verbissgehölz einsetzbare Baum- und Straucharten erfüllen wichtige ökologische Funktionen als Nahrungsquelle und Lebensraum für diverse Insektenarten und deren Larven (u.a. großer und kleiner Eisvogel, großer Schillerfalter, Trauermantel, großer Fuchs, Ligusterschwärmer). Aber auch zahlreiche Vögel und Säugerarten (u.a. Siebenschläfer, Haselmaus, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke, Misteldrossel) ernähren sich von deren Früchten oder finden im Blattwerk Deckung und Brutmöglichkeiten.
Entsprechende segretative oder integrative Pflanzbereiche können leicht identifiziert werden auf Rückegassen, entlang von Daueräsungsflächen und Wildäckern, Wegebau für WKA, in Mischungen von Verjüngungen auf Kahlflächen nach Dürre bzw. Kalamitäten.
Geeignete Arten zur Erweiterung des Pflanzspektrums bei Neu- und Umbau von Waldflächen: Weiden, Aspen, Pappeln, Ebereschen (Vogelbeere), Wildkirschen, Weißdorn und Schwarzdorn, Liguster, Pfaffenhütchen, Holunder, Felsenbirne, Heckenkirsche, Strauchweiden. Ein hohes Stockausschlagvermögen haben auch Eichen, Linden, Hainbuchen und Eschen.
Eine Auflistung der wichtigsten Verbissgehölze und ihrer Bedeutung für die Biodiversität finden Sie als Download in der PDF-Tabelle.
2 Gedanken zu „Das Negative ins Positive wenden- Wald und Wild ist möglich und eine Chance für die Biodiversität!“
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