Verkehrssicherungspflichten bei Gesellschaftsjagden in der Nähe von Straßen

Jedes Jahr im Herbst beginnt die Zeit der Gesellschaftsjagden in deutschen Jagdrevieren. Treib- und Drückjagden bieten den jeweiligen Jagdgesellschaften dabei nicht nur besondere Jagderlebnisse. Vor allem kann hier auf tierschutzkonforme Art und Weise in kurzer Zeit im Idealfall viel Wild erlegt werden. Gerade in Zeiten hoher Schwarzwildbestände ist das eine effektive Form der Wildschadensverhütung und dient der Vermeidung finanzieller Belastungen bei Landwirten und Ausgleichspflichtigen.

Allerdings gehen mit Gesellschaftsjagden auch besondere Gefahren einher. Eine Vielzahl von Personen, Jäger und Treiber sowie Hundeführer mit ihren Hunden, wirken zeitweise auf relativ kleiner Fläche zusammen, um so das gemeinsame Ziel – „viel Strecke machen“ – zu erreichen. Eine gute Planung und eine straffe Organisation der Jagd ist dabei zum einen Voraussetzung für deren Erfolg, zum anderen kann nur so gewährleistet werden, dass sich am Ende alle Beteiligten beim Streckelegen unversehrt und wohlbehalten wieder einfinden.

In vielen Revieren kommt es bei Treib- bzw. Drückjagden aber fast zwangsläufig dazu, dass hochgemachtes und flüchtendes Wild oder suchende Hunde Straßen überquert. Insbesondere in zersiedelten Bereichen ist das kaum zu vermeiden. Auch das muss bei der Planung und der Organisation bedacht und berücksichtigt werden.

Kommt es in diesem Zusammenhang zu Kollisionen mit Fahrzeugen, stellt sich nämlich schnell die Frage nach der Verantwortlichkeit des Veranstalters der Jagd und dessen Pflicht, für entstandene Schäden einzutreten.

Ist dieser entsprechenden „Verkehrssicherungspflichten“ nicht nachgekommen und hat er einen Schadenseintritt nachweislich vielleicht sogar billigend in Kauf genommen, dann kommt auch seine Jagdhaftpflichtversicherung für den Schaden nicht immer auf.

Bei Unfällen mit mehreren Schwerstverletzen und/oder hohen Sachschäden kann im Übrigen schnell die Deckungssumme der Jagdhaftpflichtversicherung überstiegen werden. Dann muss der Jagdveranstalter für nicht gedeckte Schäden selbst eintreten. Das kann im schlimmsten Fall zum finanziellen Ruin führen. Spätestens dann gerät auch die beste Strecke schnell in Vergessenheit.

Ob der Veranstalter einer Gesellschaftsjagd bzw. dessen Jagdhaftpflichtversicherung nach einem Wildunfall in Zusammenhang mit einer Treib- oder Drückjagd und wegen eines Verstoßes gegen Verkehrssicherungspflichten erfolgreich in Anspruch genommen werden kann, ist immer eine Frage des Einzelfalles.

Dennoch gibt es einige grundsätzliche Dinge, die ein verantwortungsbewusster Jäger wissen und beachten muss, um Schäden möglichst zu vermeiden und um seinen Verkehrssicherungspflichten nachzukommen.

Dabei gilt es zunächst zu klären, was überhaupt eine Gesellschaftsjagd ist. Das sind Formen gemeinschaftlichen Jagens, die von mindestens vier Jagdscheininhabern ausgeübt werden, bei denen die Jagdausübung aufeinander abgestimmt ist und in einem räumlichen Zusammenhang steht (§ 18 Abs. 2 Hess. Jagdgesetz).

Klassischerweise sind das alle Formen der uns bekannten Treib- und Drückjagden. Aber auch die sogenannten Erntejagden, bei denen anlässlich der Ernte Getreide- oder Maisschläge umstellt werden, um dort das vor den Erntemaschinen flüchtende Wild zu erlegen, gehören dazu. Der Fokus wird bei den nachfolgenden Betrachtungen allerdings auf die klassischen Treib- und Drückjagden gerichtet, da bei den typischen Erntejagden dem Jagdveranstalter zumeist nicht vorgeworfen werden kann, dass flüchtendes Wild über Straßen wechselt. Nicht die Veranstaltung der Jagd, sondern die Erntearbeiten selbst stellen nämlich dann in aller Regel die Ursache für das Fluchtverhalten des Wildes dar.

Als Verkehrssicherungspflichten sind alle erforderlichen und zumutbaren Maßnahmen zu bezeichnen, die derjenige zu treffen hat, der eine besondere Gefahrenlage schafft, um Dritte vor einem drohenden Schaden zu bewahren.

Bei einem Verstoß haftet der Verkehrssicherungspflichtige nach den allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (§ 823 BGB). Da es allerdings nicht möglich ist, jeden denkbaren Schadenseintritt zu vermeiden, wird von der Rechtsprechung nur verlangt, dass wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen ergriffen werden und diese auch nur insoweit, wie die Allgemeinheit diese realistisch erwarten darf.

Schon deshalb scheidet bei außergewöhnlichen und unvorhersehbaren Geschehensabläufen eine Haftung des Jagdveranstalters von vornherein aus.

Die allgemeinen Grundsätze zu Verkehrssicherungspflichten sind auf die Veranstaltung von Treib- und Drückjagden zu übertragen (vgl. Munte, Die Rechtsprechung zu Verkehrssicherungspflichten bei Treib-, Drück- und Erntejagden in NZV 2009,274).

Um an dieser Stelle Missverständnissen vorzubeugen, der Begriff der „Verkehrssicherungspflicht“ ist keiner des Straßenverkehrsrechts. Verkehrssicherungspflichten können in einer Vielzahl von Lebenssituationen entstehen. Voraussetzung ist lediglich, dass eine besondere Gefahrenlage geschaffen wird. Sei es durch das Betreiben einer Industrieanlage, der Errichtung eines Hochsitzes oder eben der Veranstaltung einer Gesellschaftsjagd in Straßennähe. Die jeweils zu ergreifenden Sicherheitsvorkehrungen sind hier selbstverständlich vollkommen unterschiedlich ausgestaltet. Der Betreiber eine Industrieanlage hat beispielsweise dafür Sorge zu tragen, dass keine schädlichen Immissionen austreten und der Errichter eines Hochsitzes hat für dessen Standsicherheit zu sorgen.

Derjenige, der eine Gesellschaftsjagd in Straßennähe veranstaltet, hat wiederum ganz andere Dinge zu beachten. Bei Gesellschaftsjagden, egal ob Treib- oder Drückjagd, besteht die besondere Gefahrenlage nämlich darin, dass flüchtiges Wild oder suchende Hunde Straßen kreuzen und womöglich mit Fahrzeugen kollidieren.

Genau dieses Risiko muss der Veranstalter der Jagd nach seinen Möglichkeiten eindämmen oder zumindest den potentiellen Kreis der Gefährdeten entsprechend, und zwar eindringlich, warnen.

Grundsätzlich ist verkehrssicherungspflichtig der Veranstalter einer Gesellschaftsjagd, also der Jagdausübungsberechtigte, sei es als Inhaber einer Eigenjagd oder als Revierpächter. Der Jagdausübungsberechtigte kann die Leitung einer Gesellschaftsjagd allerdings auch auf einen Dritten übertragen (vgl. § 4 Abs. 1 UVV Jagd). Damit geht auch die Pflicht zur Verkehrssicherung auf den Dritten über. Der Jagdausübungsberechtigte haftet dann aber immer noch für die ordnungsgemäße Auswahl und Überwachung des Jagdleiters. Sollte ihn diesbezüglich ein Verschulden treffen und verstößt der Jagdleiter gegen seine Verkehrssicherungspflichten, dann haften im Schadensfall beide gesamtschuldnerisch.

Was den Veranstalter einer Gesellschaftsjagd an Verkehrssicherungspflichten konkret zu beachten hat, ist immer eine Frage des Einzelfalles. Vieles ist hier denkbar, aber nicht alles immer erforderlich und zumutbar.

Schon deshalb kann hier auch keine konkrete Distanz zur nächsten Straße genannt werden, innerhalb derer Verkehrssicherungspflichten des Jagdveranstalters bestehen. Manche Autoren nennen in diesem Zusammenhang eine Entfernung von 500 m. Diese Zahl kann allerdings lediglich als grobe Richtlinie bezeichnet werden. Hier ist nämlich immer auch zu beachten, wie das Gelände ausgestaltet ist, auf dem die Jagd stattfindet und welche Wildarten vorkommen. Insbesondere in der offenen Feldflur können auch größere Distanzen zur nächsten Straße relevant werden.

Dem Veranstalter einer Jagd ist aber in jedem Fall zu empfehlen, dass er sich zu den nachfolgenden Punkten Gedanken macht und diese bei der Planung und Organisation seiner Jagd gegebenenfalls berücksichtigt.

Zum Allgemeinwissen gehört inzwischen die Erkenntnis, dass bei Treib- und Drückjagden Wild nicht in Richtung einer befahrenen Straße oder in unmittelbarer Nähe dazu getrieben werden darf. Die Jagd, bzw. vielmehr jedes einzelne Treiben, muss also danach geplant und ausgerichtet werden. Insbesondere die Treiberwehr muss entsprechend instruiert werden. Ortskundige Treiber sollten diese anführen. Unter Umständen sollte man sich im Vorfeld die Situation gemeinsam auf einer Karte anschauen. Genaue und konkrete Vorgaben durch den Jagdveranstalter sind in diesem Zusammenhang unerlässlich.

Auch verbietet es sich in aller Regel, in unmittelbarer Nähe zur Straße Hunde zu schnallen. Je näher eine Straße ist, desto größer ist zu meist die Gefahr, dass auch Hunde Straßen überqueren. Die Kollision eines Hundes mit einem Fahrzeug ist in solchen Situationen juristisch grundsätzlich nicht anders zu bewerten als die Kollision von Wild und Fahrzeug. Deshalb sollten insbesondere auch hier nur brauchbare und vor allem gehorsame Hunde eingesetzt werden.

Ob weiter erforderlich ist, Warnposten an der Straße abzustellen, die einer Fahrbahnüberquerung durch Wild zusätzlich vorbeugen und außerdem die Verkehrsteilnehmer auf die Gefahr hinweisen, muss im konkreten Einzelfall entschieden werden. Auch dies hängt insbesondere davon ab, wie weit eine Straße vom Treiben entfernt und das Gelände in der Nähe des Treibens ausgestaltet ist. Bieten Dickungen in der Nähe des Treibens Möglichkeiten für das Wild, sich dorthin zurückzuziehen, dann mögen Postenketten entbehrlich sein. Im offenen Feld, insbesondere wenn Wild weite Fluchtdistanzen zurücklegen muss und dabei fast zwangsläufig Straßen zu überqueren hat, scheint es eher geboten, auch an Straßen Posten aufzustellen, die Wild wieder von der Straße wegtreiben können. Alternativ kommt auch in Betracht, dass man in Straßennähe, vor allem an bekannten Wechseln, sog. „Jagdlappen“ aufhängt, um Wild dadurch von der Fahrbahn fernzuhalten.

Je näher an Straßen getrieben wird, desto erforderlicher kann es sein, dichte Treiberketten einzusetzen. Das Wild wird nämlich in aller Regel nicht versuchen, eine dichte Treiberkette zu durchbrechen. Zu berücksichtigen ist hier aber insbesondere auch, welches Wild bejagt wird. Mag sich Rehwild vielleicht von einer dichten Treiberkette beeindrucken lassen, so ist das beim wehrhaften Schwarzwild nicht zwangsläufig der Fall.

Vielerorts werden zudem bereits heute Warnschilder aufgestellt, um auch bei Gesellschaftsjagden Verkehrsteilnehmer auf möglicherweise über die Straße wechselndes Wild hinzuweisen. Solche Warnschilder sind inzwischen über den Fachhandel leicht zu beziehen, erhöhen die Aufmerksamkeit des Straßenverkehrsteilnehmers und veranlassen diesen im Idealfall dazu, frühzeitig seine Fahrweise an die Situation anzupassen. Unter Umständen ist es erforderlich, wiederholt Warnschilder aufzustellen. Insbesondere bei großflächig angelegten Gesellschaftsjagden reicht es nicht aus, dass lediglich an der Reviergrenze Schilder auf mögliche Gefahren hinweisen. Hier kann es etwa erforderlich sein, dass alle 1.000 m ein Warnschild steht.

Zu beachten ist dabei allerdings, dass ggf. die Straßenverkehrsbehörden vom Aufstellen solcher Warnschilder im Vorfeld informiert werden müssen. Das Aufstellen von „privaten“ Warnschildern ist in den einzelnen Bundesländern, zum Teil auch in den einzelnen Kommunen, unterschiedlich geregelt. Ein Anruf bei der zuständigen Behörde kann hier in aller Regel schnell eine Klärung herbeiführen.

Jedenfalls genehmigungspflichtig ist das Aufstellen von „offiziellen“ Hinweis- bzw. Warnschildern. Auch hier kann die zuständige Behörde behilflich sein. Wenn es um das Aufstellen von „offiziellen“ Verkehrszeichen nach der StVO geht, dann wird sie Auskunft zum Genehmigungsverfahren erteilen und bei der Antragsstellung helfen können. Auf entsprechende Mitteilung hin wird sie unter Umständen auch von sich aus tätig und ergreift entsprechende Maßnahmen.

Ob das Aufstellen von Warnschildern notwendig und ausreichend ist, ist allerdings ebenfalls eine Frage des Einzelfalles. Je nachdem, wie stark befahren eine Straße ist und diese möglicherweise von Wild gekreuzt wird, ist das Aufstellen von Warnschildern erforderlich und zumutbar. Allenfalls bei nur ganz wenig befahrenen Nebenstraßen, bei denen zudem kaum zu befürchten ist, dass Wild die Straße quert, kann auf Warnschilder verzichtet werden.

An einer viel befahrenen Land- oder Bundesstraße wird dies in aller Regel anders aussehen, insbesondere dann, wenn der Jagdveranstalter nach seinem eigenen Dafürhalten nicht ausschließen kann, dass dort beim Treiben Schalenwild über die Straße wechseln wird. Insbesondere hier können – in Absprache mit der zuständigen Behörde und nach vorheriger Genehmigung – sogar Geschwindigkeitsbeschränkungen mit entsprechender Beschilderung erforderlich sein.

Zusätzlich kommt der Einsatz von mit Signalwesten bekleideten Warnposten in Betracht, die die Verkehrsteilnehmer mit Fahnen und Handzeichen auf die Gefahren aufmerksam machen.

Neben der zuvor aufgezeigten zivilrechtlichen Haftung droht im Fall der Fälle auch eine strafrechtliche Verfolgung. Wird Wild anlässlich einer Treib- oder Drückjagd hochgemacht und dadurch ein Verkehrsunfall verursacht, ohne dass der Jagdveranstalter seinen Verkehrssicherungspflichten nachgekommen ist, dann kommt bei der Verletzung von Personen auch die Erfüllung des Straftatbestandes der fahrlässigen Körperverletzung nach § 223 StGB oder beim Tod eines Menschen sogar der fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB in Betracht. Hier drohen dann im schlimmsten Falle sogar Haftstrafen.

Die Folge einer strafrechtlichen Verurteilung kann zudem der Verlust des Jagdscheines und damit auch das Erlöschen eines mit seinem Inhaber bestehenden Jagdpachtvertrages sein.

Der Veranstalter einer Gesellschaftsjagd ist also gut beraten, sich im Vorfeld der Jagd Gedanken dahingehend zu machen, wo durch das Treiben in der Nähe von Straßen besondere Gefahrensituationen entstehen können. Danach hat er die Durchführung seiner Jagd auszurichten.

Möglicherweise wird er nicht in bestimmte Richtungen treiben können oder muss zumindest Posten abstellen, um Wild von Straßen wegzutreiben. Vielleicht muss er sogar Lappen aufhängen, um Wild vom Überqueren einer Straße abzuhalten. Oft wird er dichte Treiberketten einsetzen müssen, um zu verhindern, dass Wild über eine Straße wechselt. Idealerweise macht er Verkehrsteilnehmer insbesondere an größeren und stark befahrenen Straßen auf die Jagd durch entsprechende Warnschilder oder Warnposten aufmerksam. Ggf. muss er in den betroffenen Bereichen auch auf eine Geschwindigkeitsbeschränkung hinwirken und entsprechendes bei der zuständigen Behörde beantragen.

Aber Vorsicht, im Zweifel sollte man lieber auf ein Treiben verzichten, als bewusst in Kauf zu nehmen, Wild über eine viel befahrene Straße zu treiben. Dann nämlich ist ein Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten, trotz aller Maßnahmen, die man vielleicht ergriffen hat, häufig nicht mehr von der Hand zu weisen.

Hans-Jürgen Thies, Rechtsanwalt aus Hamm