Dies können z. B. eskalierende Begegnungen mit militanten und gewaltbereiten Tierschützern oder die Durchsetzung von Jagdschutzberichtigungen, wie Personalien-feststellung von jagdlich ausgerüsteten Personen im eigenen Revier sein. Dass solche Zusammentreffen nicht ungefährlich sein können, zeigt der Mordfall im Reinhardswald aus dem Jahr 2002, bei dem ein geistig verwirrter Hobby-Ornitologe mit einem Jäger zusammentraf und diesen mit mehr als 50 Messerstichen in den Kopf getötet hatte. Durch die Berechtigung bei der Jagdausübung Waffen zu führen, sind allerdings gerade wir Jäger aufgefordert, in kritischen Situationen äußerst besonnen zu handeln, um der besonderen Verantwortung der Möglichkeit eines etwaigen Schusswaffengebrauchs gerecht zu werden.
Der Begriff der „Notwehr“ ist gesetzlich definiert. In § 32 Abs. 2 StGB heißt es:
„Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.“
Rechtlich systematisch handelt es sich bei der Notwehr um einen Rechtfertigungsgrund. In der juristischen Prüfung begehrt also der in Notwehr Handelnde objektiv zunächst eine Straftat (beispielsweise Körperverletzung), die aber letztlich nicht rechtswidrig ist, da ein Rechtfertigungsgrund der Notwehr vorliegt.
Um die Voraussetzungen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr zu erfüllen, müssen diverse Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.
Zunächst muss sich die Verteidigungshandlung gegen einen Angriff richten. Hierdurch wird deutlich, dass sich die Handlung des Gegners gegen ein gesetzlich geschütztes Rechtsgut (beispielsweise körperliche Unversehrtheit) der eigenen Person oder eines Dritten (dann spricht man von Nothilfe) richten muss. Ein Angriff kann dabei nur von einem Menschen ausgehen. Soweit eine Gefahr von einer Sache oder einem Tier ausgeht und man die Gefahr durch Beschädigung oder Zerstörung der Sache oder des Tieres abwendet, spricht man von einem Notstand (§§ 228, 904 BGB, § 35 StGB).
Der Angriff des Gegners muss rechtswidrig sein, darf also seinerseits nicht durch eigene Rechtfertigungsgründe gedeckt sein.
Der Angriff muss des Weiteren gegenwärtig sein. Eine Gegenwärtigkeit liegt vor, wenn eine Rechtsgutverletzung unmittelbar bevorsteht. Dies ist dann der Fall, wenn das Verhalten des Täters also jederzeit in eine Rechtsgutverletzung umschlagen kann. Dies ist beispielsweise dann nicht der Fall, wenn eine 10 Meter entfernt stehende mit einem Stock bewaffnete Person keine Anstalten zu einer Attacke macht. Von einer solchen Person geht gegenüber für einen mit einer Pistole bewaffneten Täter kein gegenwärtiger Angriff aus.
Ein Angriff bleibt gegenwärtig, solange die Gefahr einer Rechtsgutverletzung oder deren Vertiefung andauert und noch abgewendet werden kann. Bei Eigentums- oder Vermögensdelikten ist ein gegenwärtiger Angriff deshalb noch gegeben, wenn die Tat vollendet aber die Beute noch nicht gesichert ist. Problematisch erschien die Gegenwärtigkeit eines Angriffs in einem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall. Fünf Männer drangen in die Villa eines 80-jährigen Jägers ein und bedrohten ihn, wollten sein Geld. Als die Alarmanlage losging und die Räuber flüchteten, schoss der Jäger auf einen der Täter, traf diesen tödlich in den Rücken. Beute hatten die Täter nicht erlangt.
Nachdem die Staatsanwaltschaft das Verfahren zunächst einstellte, da sie von dem Vorliegen der Voraussetzungen der Notwehr ausging, entschied im Rahmen einer eingelegten Beschwerde das zuständige Oberlandesgericht, dass eine Notwehrlage nicht vorgelegen habe. Eine Gegenwärtigkeit eines Angriffs habe nicht mehr vorgelegen, da der Schuss auch nach Aussagen des Jägers nicht abgegeben wurde, um die Täter davon abzuhalten, eine etwaige Beute mitzunehmen.
Neben der Gegenwärtigkeit des Angriffs muss die Verteidigung die der in Notwehr Handelnde anlegt, erforderlich und geeignet sein, den Angriff abzuwenden. Nicht geeignet sind solche Handlungen, die zur Verbesserung der Lage des angegriffenen Rechtsguts objektiv und aus Sicht des Angegriffenen überhaupt nichts beitragen können. Eine Erforderlichkeit im engeren Sinne setzt voraus, dass Art und Maß der Verteidigungshandlung der drohenden Gefahr entsprechend, die vom Täter gewählte Verteidigung muss deshalb das relativ mildeste Mittel der Abwehr sein. Der Einsatz einer Waffe ist hierbei nicht schon deshalb grundsätzlich widerrechtlich, weil der Verteidiger sie unerlaubt führt, wenn der Gebrauch einer Waffe durch Notwehr gerechtfertigt ist, entfällt die Strafbarkeit auch wegen des unerlaubten Führens der Waffe, soweit es mit dem gerechtfertigten Geschehen unmittelbar zusammenhängt.
Bei dem Einsatz lebensgefährlicher Waffen ist allerdings bei der Frage der Verhältnismäßigkeit der Anwendung der Mittel besonders zu beachten, dass jedenfalls gegenüber einem unbewaffneten Angreifer grundsätzlich der Schusswaffengebrauch zunächst anzudrohen ist, wenn dies nach der jeweiligen Lage noch möglich ist. Vor einem möglicherweise tödlichen Schuss muss der Verteidiger in der Regel versuchen, einen Warnschuss abzugeben. Einen Schuss in den Bauch eines Angreifers ohne Warnung oder Androhung ist auch dann nicht als gerechtfertigt anzusehen, wenn der Angreifer die Bewaffnung des Täters kennt und dazu ansetzt, eine unbekannte Waffe aus dem Gürtel zu ziehen.
Des Weiteren ist bei der Schussabgabe soweit möglich diese so auszurichten, dass keine lebensgefährlichen Verletzungen entstehen. Auch zur Frage der Erforderlichkeit der Notwehrhandlung hatte der Bundesgerichtshof aktuell einen Streit zu entscheiden, der zwischen zwei Jägern eskaliert war.
Nach den Feststellungen des Landgerichts trafen der Angeklagte und der Geschädigte, die beide in ihrer Freizeit der Jagd nachgingen, in den frühen Abendstunden auf einem Feldweg aufeinander. Der Angeklagte, der sich in einer depressiven Phase befand und alkoholisiert war, saß, nachdem er in suizidaler Absicht unter Mitführung einer geladenen Pistole in den Wald gegangen war, am Wegesrand schlief, was den Geschädigten, der gerade von der Jagd zurückkam, an der Weiterfahrt hinderte. Er weckte den Angeklagten mit einem Tritt und forderte ihn mit unfreundlichen Worten auf, sich zu entfernen. Der darüber verärgerte Angeklagte trat daraufhin den Geschädigten in das Gesäß und beschimpfte ihn. Der Geschädigte, nun seinerseits erbost, rief „Na warte du mal“ und schickte sich an, seine Flinte aus dem Fahrzeug zu holen. Der Angeklagte, der Angst vor einem Angriff hatte, sprühte dem Geschädigten Pfefferspray in Gesicht. Dieser zeigte sich jedoch unbeeindruckt, erfasste die Waffe und hielt sie in Richtung des Angeklagten. Aus Angst vor einem Angriff schoss der Angeklagte nun zwei Mal in Richtung des Geschädigten, wobei er ihn am Oberarm traf. Der Geschädigte hantierte gleichwohl weiter an seiner doppelläufigen Flinte, um sie zu laden oder schussbereit zu machen. Der Angeklagte gab nunmehr einen Warnschuss in die Luft ab, ohne dass der Geschädigte hierauf eine Reaktion zeigte. Da der Angeklagte befürchtete, dass es dem Geschädigten alsbald gelänge, die Waffe zu laden und schussfertig zu machen, gab er nunmehr einen gezielten Schuss auf den Rumpf des Geschädigten ab. Der Geschädigte zeigte sich zunächst auch hiervon unbeeindruckt, weshalb der Angeklagte im Anschluss auch noch in dessen Bein schoss. Nunmehr hielt der Geschädigte inne und ließ das Gewehr sinken. Der Angeklagte nahm es ihm ab und entfernte sich. Der Geschädigte verstarb an den Folgen des Rumpfschusses.
Der Bundesgerichtshof lehnte hierbei den Rechtfertigungsgrund der Notwehr ab, da die Verteidigungshandlung des Angeklagten nicht mehr erforderlich im Sinne des § 32 StGB war.
Neben der Verhältnismäßigkeit, respektive Erforderlichkeit der Notwehrhandlung, muss die Notwehr auch geboten sein. Eine Notwehr ist nicht mehr geboten gegenüber kindlichen oder sonst schuldunfähigen Angreifern. Auch mangelt es an einer Gebotenheit bei unerträglichem Missverhältnis zwischen dem angegriffenen Rechtsgut und der durch die Verteidigungshandlung drohenden Rechtsgutverletzung. Dies kommt in Betracht, wenn zur Abwehr evident bagatellhafter Angriffe Verteidigungshandlungen erforderlich wären, die zu besonders gravierenden Verletzungen des Angreifers führen können.
Wie man an den aufgezeigten Beispielen sieht sind die Hürden an dem Vorliegen einer Notwehrlage sehr hoch anzusetzen. Insbesondere durch die Möglichkeit eines Schusswaffengebrauchs sind durch die Rechtsprechung besondere Vorsichtsmaßnahmen gesetzt worden, wie eine vorherige Androhung des Schusswaffengebrauchs und die Abgabe eines Warnschusses.
Soweit eine Notwehrlage nicht vorliegt ist in der Praxis allerdings noch zu prüfen, ob nicht ein sogenannter Notwehrexzess vorliegt. Ein solcher ist dann anzunehmen, wenn der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, wird der Täter nicht bestraft (§ 33 StGB).
Ullrich Goetjes, Rechtsanwalt